O.J. Simpson: Haft bis ans Lebensende?

Prozessauftakt: Nach einem bewaffneten Raubüberfall drohen dem Ex-Footballstar rund 70 Jahre Haft. Eigentlich müsste er schon wegen Mordes sitzen, sagen viele.

Las Vegas. Es gibt Meldungen, die Erschreckendes über die Gesellschaft eines Landes zutage fördern. "Nur weiße Geschworene in neuem Prozess gegen O.J. Simpson" titelte die Nachrichtenagentur dpa eine Meldung - und deutete damit an, was in den USA Realität zu sein scheint: Ein Schuldspruch hat durchaus etwas mit der Hautfarbe derer zu tun, die über einen Schwarzen urteilen.

Das gilt insbesondere für den Ex-Footballstar O.J. Simpson, der vor 13 Jahren von einer überwiegend schwarzen Jury vom Vorwurf des Doppelmords freigesprochen wurde. Am Montag beginnt ein neuer Prozess gegen ihn.

Der 61-Jährige, so die Anklage, soll im vergangenen Jahr zusammen mit fünf Komplizen zwei Sammler von Fan-Artikeln in einem Hotel in Las Vegas überfallen und mit Waffengewalt zur Herausgabe einiger Erinnerungsstücke gezwungen haben. Es ging um alte Trikots, Urkunden und Fotos.

Insgesamt listet die Anklage zwölf Einzeldelikte auf - von Geiselnahme über bewaffneten Raub bis zur Drohung mit einer tödlichen Waffe. Über jedes Delikt wird einzeln geurteilt. Würde Simpson in allen Anklagepunkten schuldig gesprochen, könnten gut 70 Jahre Haft zusammenkommen - de facto lebenslänglich.

Simpson bestreitet die Vorwürfe. Die Erinnerungsstücke hätten ihm gehört, sie seien ihm zuvor gestohlen worden, erklärte er. Waffen waren seinen Angaben zufolge nicht im Spiel. Einer der Komplizen ist mitangeklagt, die anderen vier wollen gegen Simpson aussagen.

Damit könnte eine der schillerndsten Figuren der US-Sportgeschichte für den Rest ihres Lebens im Gefängnis landen. Kaum ein Footballstar wurde so verehrt wie der ehemalige Spieler der Buffalo Bills.

Seine brillanten Touchdown-Läufe rissen die Fans in den 70ern zu begeisterten Ovationen hin, und auch nach dem Ende seiner Karriere verschaffte ihm sein bis dahin tadelloses Image eine Reihe von gut dotierten Kinorollen und Werbeverträgen. Simpson war auch bei der weißen Bevölkerung beliebt, verehrt wurde er aber insbesonderevon der schwarzen Bevölkerung.

Die Auswahl der Geschworenen gestaltete sich insbesondere deswegen so schwierig, weil bei vielen davon ausgegangen werden musste, dass sievoreingenommen sind. Die Mehrheit der Amerikaner geht davon aus, dass Simpson vor 13 Jahren zu Unrecht ungeschoren davon kam. Ein Kandidat schrieb in den Fragebogen zur Auswahl: "Er ist ein Mörder und ist davongekommen." Er wurde aussortiert.

1995 war Simpson angeklagt, seine Ex-Frau Nicole und ihren neuen Partner Ron Goldman erschossen zu haben. Trotz einer Vielzahl von Hinweisen - unter anderem waren Simpsons Schuhabdrücke in der Nähe des Tatorts gefunden worden - hielt die Jury die Beweislast für unzureichend.

Jahre nach seinem Freispruch nährte Simpson selbst die Spekulationen, weil er in seinem Skandal-Buch "Wenn ich es getan hätte" sozusagen ein hypothetisches Mordgeständnis ablegte - unter anderem mit einer detaillierten Beschreibung der Tat.