Friedensnobelpreisträger Al Gore: „Der Planet braucht Dich“
Wahlkampf: Viele wollen Gore im Weißen Haus sehen, doch er schließt eine Kandidatur aus.
Washington. Ein so dramatisches Comeback gibt es nicht einmal in den Kinofilmen seiner vielen Freunde in der Traumfabrik Hollywood. Vor sieben Jahren war Albert Arnold Gore nach seiner umstrittenen Wahlniederlage gegen George W. Bush politisch tot, heute wird der Nobelpreisträger als Superstar gefeiert und von demokratischen Aktivisten der Organisation "Draft Gore" als Präsidentschaftskandidat ins Spiel gebracht. Dabei gilt eines als sicher: Auf ein Duell mit der in Führung liegenden Hillary Clinton wird er es nicht ankommen lassen.
Gleichwohl ist mit der hohen Auszeichnung für Gore sichergestellt, dass die Klimaschutzdebatte auch in den USA in den Mittelpunkt der politischen Diskussion rückt und dem amerikanischen Wahlkampf während der kommenden Monate ihren Stempel aufdrücken wird. Der 59-Jährige engagierte sich bereits während seiner acht Jahre als Stellvertreter von Präsident Bill Clinton für die Umwelt und wurde zur Galionsfigur für eine Bewegung, die in den USA damals noch in Kinderschuhen steckte.
Vertreter von "Draft Gore" trauen ihm trotz Hillary Clintons großem Vorsprung immer noch einen Sieg zu. Die Organisation gab diese Woche in der New York Times eines ganzseitige Anzeige auf und schrieb in einem offenen Brief an Gore: "Deine Partei braucht Dich, ebenso wie Deine Nation und jener Planet, um dessen Rettung Du so hart kämpfst."
Wie Mitglieder seines engsten Beraterkreises gegenüber US-Medien während der letzten Wochen mehrfach bestätigten, habe der Ex-Vizepräsident nach seinem feierlichen Auftritt bei der Oskarverleihung, wo die Verfilmung seines Bestsellers "Eine unbequeme Wahrheit" als bester Dokumentarfilm ausgezeichnet wurde, tatsächlich ernsthaft an eine Kandidatur gedacht. Zur Imagepflege und im Dienste eines "staatsmännischeren Auftretens" rasierte er sich den Bart ab und ging eisern auf Diät, um mindestens zwanzig Kilo abzunehmen. Sollte ihm auch der Nobelpreis zuerkannt werden, über den nach der Oskar-Sensation bereits diskutiert wurde, dann sollte dies als ideales Sprungbrett dienen.
Die Organisation Die von Al Gore 2006 gegründete Allianz für Klimaschutz will das Bewusstsein für die Gefahren einer Klimakatastrophe schärfen. Wirkungsvolle Gegenmaßnahmen hält die Non-Profit-Organisation für machbar.
Die Botschaft Die Organisation will auf die beiden großen US-Parteien einwirken. Die Bevölkerung soll mobilisiert werden, damit die USA sich an den internationalen Anstrengungen zum Klimaschutz und an einem Vertrag zur Reduzierung der Treibhausgase beteiligen.
Die Finanzierung Einkünfte aus Diashows und dem Gore-Film "Eine unbequeme Wahrheit" flossen in die Allianz. Auch Erträge des weltweiten "Live Earth"-Konzerts im Juli dieses Jahres kamen den Klimaschützern zugute.
Der Friedensnobelpreis ist gewiss die renommierteste Auszeichnung, die die Welt zu vergeben hat, und zugleich auch eine ihrer umstrittensten. Man denke nur an Kissinger, Arafat, Peres oder Rabin. Oft waren die Preise eher ungedeckte Schecks auf eine friedliche Zukunft, die dann nie kam, mehr Ausdruck schwacher Hoffnung denn Würdigung tatsächlicher Verdienste.
Die Vergabe des Friedensnobelpreises zu gleichen Teilen an den ehemaligen US-Vizepräsidenten Al Gore und den UN-Klimarat ist vor diesem Hintergrund wohl eher eine der besseren Entscheidungen. Al Gore hat sich nicht erst nach seiner "gestohlenen Wahl" im Jahr 2000 für den Klimaschutz eingesetzt. Und die Auszeichnung des UN-Klimarates ist auch ein dezentes Signal an die US-Regierung, effiziente Klimaschutzmaßnahmen im Rahmen der Weltorganisation nicht durch eine "Koalition der Willigen" zu unterlaufen. Entsprechend gequält fiel dann auch die "Freude" im Weißen Haus aus.
Dass Al Gore allerdings "jahrelang der weltweit führende Umweltschützer" gewesen sei, wie das Nobelkomitee in seiner offiziellen Begründung vermutet, darf getrost zu den für solche Anlässe nun einmal unbedingt erforderlichen und oft schamlosen Übertreibungen gerechnet werden. Wahr aber ist: Al Gore hat der Umweltschutzbewegung - vor allem in den USA, aber nicht nur dort - Gesicht und Gewicht gegeben. Und das ist nicht wenig. Der 59-Jährige hat großen Anteil daran, dass das Umweltbewusstsein in den USA gewachsen ist und viele US-Bundesstaaten inzwischen eine Klimapolitik betreiben, die sich keineswegs hinter europäischen Initiativen verstecken muss.
Manche mag stören, dass Gore gelegentlich sein Thema wie eine Pop-Ikone besetzt, ein Charismatiker auf dem Kreuzzug gegen die Klimakatastrophe, der "gute Amerikaner", wie ihn die Welt sich wünscht, Oscar-gekrönter Gegenentwurf zu Bush. Den Niederungen der Tagespolitik aber - und damit auch des US-Wahlkampfs - ist Al Gore schon längst entwachsen. Er kämpft auf Vorträgen und in Filmen seinen virtuellen Kampf um nichts Geringeres als die Rettung des Planeten. Vielleicht aber braucht ja unsere Welt solche "Helden", um das Schlimmste zu verhindern. Und dann hätte sich diese Auszeichnung für uns alle gelohnt.