Frische Küche trotz Hartz IV
Interview: Edelkoch Oliver Schneider zeigt in seinen Kochkursen, wie man günstig Gesundes und Schmackhaftes auf den Teller bringt.
Düsseldorf. Herr Schneider, wie sind Sie auf die Idee gekommen, einen Kochkurs für Hartz-IV-Empfänger anzubieten? Hatten Sie ein Schlüsselerlebnis?
Schneider: Ich hatte zahlreiche traumatische Erlebnisse. In meinem Frankfurter Stadtteil Bockenheim leben viele arbeitslose Menschen. Und die gehen fast täglich in eine der etwa 15 Pizzabuden hier - bei einem Preis von ungefähr sechs Euro pro Pizza. Dieses Essen ist auf die Dauer einfach zu teuer und auch zu schlecht. Da wollte ich den Leuten zeigen, wie man günstig gutes Essen kochen kann.
Legen Menschen mit weniger Geld in der Tasche denn automatisch weniger Wert auf gutes und gesundes Essen?
Schneider: Nein, das ist das Bild von Hartz-IV-Empfängern, das leider viel zu häufig in unserer Gesellschaft gezeichnet wird. Die meisten Menschen, egal ob arm oder reich, legen einfach nicht mehr viel Wert auf ihre Nahrung. Ich sehe auch viele Porschefahrer, die sich an den Buden mal eben ihre Pizza abholen.
Das Bewusstsein für gutes Essen ist also generell gering?
Schneider: Leider. In Deutschland gab es eigentlich noch nie eine große Esskultur. Hier setzen die Leute eben mehr auf Handys, Autos und deren Politur. In Belgien und Italien sieht das dagegen ganz anders aus. Da sind vielleicht die Autos nicht ganz so dick, dafür essen abends aber alle gemeinsam an einem Tisch.
Auf welche Nahrungsmittel verzichten ärmere Menschen denn häufig?
Schneider: Auf Gemüse generell. Nehmen wir zum Beispiel Mangold. Keiner kocht heute mehr Mangold. Dabei kostet ein Kopf nur einen Euro - damit kriegt man vier Personen satt. Stattdessen kochen viele Leute Nudeln mit Soße.
Wie schwierig ist es, mit wenig Geld gesund zu kochen?
Schneider: Es ist schwierig, aber machbar. Fertigprodukte sind sogar noch viel teurer als Selbstgekochtes, nur das merken die wenigsten. Wenn man Zeit hat - und die haben viele Arbeitslose nun mal - kann man auch am Herd stehen statt Fernsehen zu gucken. Mit simplen Kochtricks kann man schon viel erreichen.
Was denn zum Beispiel? Was zeigen Sie den Kursteilnehmern?
Schneider: Dass man für vier bis fünf Euro sowohl eine leckere Suppe als auch einen guten Hauptgang zubereiten kann.
Wie funktioniert das?
Schneider: Was der Mensch als Abfall bezeichnet, wird aufgekocht. Zum Beispiel kann man aus Karotten- und Zwiebelschalen eine tolle Gemüsebrühe zubereiten. Generell schmeißen die Leute viel zu viel weg. Dabei verwendet selbst die Sterneküche Abfälle. Da merkt es bloß keiner. Als Hauptgang setze ich meistens auf Vegetarisches, wie eine Kräuter-Parmesan-Polenta oder gebratenes Fenchelgemüse. Eine vegetarische Hauptspeise bekommt man schon für 2,80 Euro hin.
Wie sind die Reaktionen der Kursteilnehmer?
Schneider: Die sehen zuerst die Zutaten und denken "das ist viel zu wenig". Hinterher zeigt sich schnell, dass das überhaupt nicht stimmt. Dann sind die Leute oft positiv überrascht und kochen es zu Hause nach. Das freut mich sehr.
Wie viel kostet die Teilnahme an Ihrem Kochkurs?
Schneider: Neun Euro pro Person und Kurstag. Ungefähr fünf Euro davon sind für die Lebensmittel vorgesehen. Ich verdiene an dem Kurs also quasi nichts.
Wird der Kurs vom Arbeitsamt gefördert?
Schneider: Das wäre schön. Zurzeit jedenfalls noch nicht.