Shell-Studie Jugendliche sind anfällig für populistische Parolen
Berlin · Lange wurde jungen Menschen in Deutschland vorgeworfen, zu unpolitisch zu sein. „Eine Generation meldet sich zu Wort“, heißt es nun einer Jugendstudie. Allerdings sind bei den Befragten auch populistische Positionen weit verbreitet.
Viele junge Menschen in Deutschland sind nach Ansicht von Experten anfällig für populistische Argumentationsmuster. Die befragten 12- bis 25-Jährigen würden einigen solcher Aussagen mehrheitlich zustimmen, heißt es in der Shell-Jugendstudie, die am Dienstag in Berlin präsentiert wurde. Die Affinität einiger Jugendlicher zu populistischen Positionen sei „nicht zu übersehen“, schreiben die Autoren der Studie. So gaben 68 Prozent der Befragten an, dass die Aussage „In Deutschland darf man nichts Schlechtes über Ausländer sagen, ohne gleich als Rassist beschimpft zu werden“ voll und ganz oder eher stimme.
Rund jeder zehnte Jugendliche wird von den Experten in die Kategorie der „Nationalpopulisten“ eingestuft, die fast allen abgefragten populistischen Aussagen zustimmt. Weitere 24 Prozent werden als populismus-affin eingeordnet. „Etwa ein Drittel der Jugendlichen neigt diesen Parolen zu, und das ist viel“, sagte Jugendministerin Franziska Giffey (SPD). „Das Plädoyer ist aus unserer Sicht ganz klar: Wir brauchen mehr politische Bildung in den Schulen.“
Mehr als die Hälfte der jungen Menschen glaubt der Studie zufolge, dass die Regierung der Bevölkerung die Wahrheit verschweigt, und dass der Staat sich mehr um Flüchtlinge als um hilfsbedürftige Deutsche kümmere. 57 Prozent stimmen indes der Aussage zu, es sei gut, dass Deutschland viele Flüchtlinge aufgenommen habe.
Giffey zeigte sich zudem überrascht davon, dass sich junge Menschen bei der Familienplanung „auf den Weg einer Traditionalisierung“ machten. Es sei schon bemerkenswert, dass ein großer Teil der jungen Leute das Alleinverdienermodell in seiner Zukunftsplanung sehe - und dass dabei mehrheitlich die Frau zurückstecken solle, sagte die Ministerin.
In der Studie wurde unter anderem nach der gewünschten Arbeitsaufteilung in der Partnerschaft gefragt, wenn ein Paar ein zweijähriges Kind habe. In Westdeutschland bevorzugt demnach deutlich mehr als die Hälfte der Männer und Frauen ein männliches Versorgermodell, in dem der Mann nahezu oder komplett in Vollzeit arbeitet, während die Frau nicht oder nur in Teilzeit berufstätig ist. Im Osten finden solche Modelle deutlich weniger Anklang.
Auch die Bedeutung von Umweltthemen für junge Menschen zeigt sich in der Studie. Kein Thema scheint so viele von ihnen zu ängstigen wie die Verschmutzung der Umwelt. 71 Prozent der 12- bis 25-Jährigen gaben in einer Befragung an, das Thema mache ihnen Angst. In der vergangenen Studie aus dem Jahr 2015 hatte noch die Angst vor Terroranschlägen dominiert. Dieses Thema ängstigt nach der jüngsten Befragung heute noch zwei Drittel der jungen Menschen. Die Furcht vor dem Klimawandel landet knapp dahinter auf Platz drei (65 Prozent). Die Autoren der Studie betonen zudem, dass im Langzeitvergleich besonders der Wert umweltbewusstes Leben an Bedeutung gewonnen habe.
Der Untertitel der Studie lautet: „Eine Generation meldet sich zu Wort“. Trotzdem bezeichnet sich weniger als die Hälfte der Befragten als politisch interessiert oder stark interessiert. Fast vier von fünf Jugendlichen und jungen Erwachsenen (hier: 15 bis 25 Jahre) sind mit der Demokratie in Deutschland zufrieden. Besonders in Ostdeutschland hat sich die Zufriedenheit demnach stark erhöht: Während sie 2015 noch bei gut 50 Prozent lag, stieg sie nun auf zwei Drittel.
Seit 1953 beauftragt Shell nach eigenen Angaben Wissenschaftler und Institute mit der Erstellung von Studien, um Einstellungen von jungen Menschen in Deutschland zu dokumentieren. „Mit diesem Engagement für die Jugendforschung nimmt Shell in Deutschland seit Jahrzehnten die Möglichkeit wahr, gesellschaftliche Verantwortung zu übernehmen“, schreibt der Mineralölkonzern dazu.