Vegane Mode ist im Kommen
Berlin (dpa) - „Tiere essen“ wollen viele nicht mehr, doch wie steht es um „Tiere anziehen“? Vegetarisches und veganes Leben liegen im Trend, aber meistens geht es dabei - selbst in Vorreiter-Büchern wie Jonathan Safran Foers „Eating Animals“ - um Nahrung.
Um Mode, für die auch Tiere sterben müssen, hingegen selten. Der Verzicht auf tierische Produkte fällt beim Essen leichter, es gibt immer mehr gute pflanzliche Alternativen zu kaufen. Sich vegan zu kleiden, bleibt mangels eines modischen Angebots hingegen eine Kunst.
„Im Bereich Mode steckt vieles in den Kinderschuhen“, sagt Christian Vagedes, Vorsitzender der Veganen Gesellschaft Deutschland. So könne man noch viel mehr durch das Verwenden innovativer Materialien wie Bananenseide erreichen. Fast eine Alleinstellung im Bereich veganer Designermode genießen die Berliner Zwillingsschwestern Anja und Sandra Umann mit ihrer Marke „Umasan“. „Wir leben seit 15 Jahren vegetarisch, seit fast vier Jahren vegan“, sagt Anja Umann im dpa-Gespräch. „Im Prinzip wollen wir die Kleidung, die wir machen, unserem eigenen Lebensentwurf anpassen.“
Sie und ihre Zwillingsschwester hätten nach gründlichen Recherchen festgestellt, dass es eine große Lücke im Markt gebe. Kaum ein Designer kommt ohne tierische Erzeugnisse aus. Selbst die bekennende Tierschützerin und Vegetarierin Stella McCartney arbeitet - bei konsequentem Verzicht auf Leder und Felle - mit tierischen Produkten wie Wolle. Alle Materialien zu meiden, bei denen Tiere im Produktionsprozess einbezogen werden, stellt eine enorme Herausforderung dar.
Doch was ist eigentlich an Wolle so schlimm? Ein Tier muss dafür ja nicht sterben. Anja Umann verweist auf die Bedingungen, unter denen Schafe oft gehalten werden. „Um eine möglichst große Fläche zur Wollgewinnung zu erzielen, werden Schafe mit unnatürlich großen Falten gezüchtet“, erzählt sie. „Die Tiere können sich dort nicht mehr säubern. Quälende Parasiten sammeln sich an. Und manchmal werden daraufhin von den Züchtern den lebenden Tieren die Hautlappen einfach an den betreffenden Stellen abgezogen und das restliche Gewebe gestrafft.“ Zudem führen die Umann-Schwestern die gegenüber pflanzlichen Produkten deutlich schlechtere CO2-Bilanz tierischer Erzeugnisse an.
Den gesamten Umweltkreislauf soll ihre Mode berücksichtigen. So verwenden sie Sojaproteine, Hanf oder recyceltes Polyester. Kunststoffe sind erlaubt, solange sie nicht „neuen Müll“ erzeugen. Dass aus Sojaproteinen akzeptable Fasen entstehen, die nicht beim Tragen ausleiern, dafür sorgt die Zusammenarbeit mit erfahrenen Stoffexperten. „Gerade bei Jersey muss man sehr kritisch an die Stoffauswahl herangehen. Wir machen im Vorfeld Tests, ob das Material unseren Ansprüchen standhält.“
Hinzu kommt die ausgefeilte Schnitttechnik der 33-Jährigen. Anja Umann hat bei dem japanischen Stardesigner Yohji Yamamoto in Paris gearbeitet. Die Kleider von Umasan wirken raffiniert, feminin und dennoch bequem. Und so Glamour tauglich, dass Moderatorin Anne Will zur Berlinale-Eröffnung kürzlich in einem Entwurf von Umasan erschien.
Gestartet haben die Umanns 2009 mit Yoga-Kleidung. Beide praktizieren selbst Jivamukti, eine offensiv eine vegane Lebensweise verkündende, auch unter Prominenten sehr angesagte Yoga-Richtung. Madonna, Sting und die Designerin Donna Karan zählen zu den Anhängern. Zur heutigen Veganer-Welle trug die Jivamukti-Bewegung unter ihren Gründern Sharon Gannon und David Life maßgeblich bei.
Natürlich gibt es auch ein Leben neben dem Yoga. „Wir möchten die Kollektion erweitern, da in vielen Bereichen Mangel herrscht“, sagt Anja Umann. Bei Umasan wird gerade an Outdoor-Mode gearbeitet. Die meisten vegan arbeitenden Firmen machen Schuhe oder Taschen (wie das kanadische Kultlabel Matt & Natt) oder fertigen schlichte Baumwoll-Shirts und -Sweater.
Auch existieren größere Anbieter veganer Mode im Internet wie der Online-Shop „Muso Koroni“. Schließlich wächst der Markt. „Inzwischen spricht man schon von über 600 000 Veganern in Deutschland“, sagt Vagedes. Und die brauchen dringend mehr anzuziehen.