Hells-Angels-Prozess: Wilde Rocker geben sich zahm
Das Verfahren um einen Mord im Duisburger Rotlicht-Milieu fand unter dem Schutz von mehreren hundert bewaffneten Polizisten statt.
Duisburg. Einer hat geschossen, und ein anderer ist tot: Rein juristisch geht es im Duisburger Landgericht um einen ganz gewöhnlichen Mordfall. Timur A.(31), in Viersen geborener Türke, soll am Abend des 8. Oktober 2009 aus einem Auto heraus im Duisburger Rotlichtviertel einen anderen Mann (32) erschossen haben.
Doch weil der mutmaßliche Täter Mitglied des Motorradclubs "Hells Angels" ist und das Opfer zu den verfeindeten "Bandidos" gehörte, findet der Prozess gegen Timur A. unter dem Schutz eines massiven Polizeiaufgebots statt: Schon am frühen Morgen patrouillieren mit Maschinenpistolen bewaffnete Polizisten vor dem altehrwürdigen Landgerichtsgebäude und an Kreuzungen, in den Straßen rund um das Gericht stehen viele Polizeifahrzeuge - um einen möglichen Rockerkrieg verhindern zu können. Insgesamt sind mehr als 300 Polizisten im Einsatz, darunter auch Beamte aus Bochum, Wuppertal und Köln vor Ort.
Nachdem zur Beerdigung des Opfers noch 300 "Bandidos" aus mehreren Ländern gekommen waren, war auch zum Prozessauftakt ursprünglich mit zahlreichen Rockern gerechnet worden. Doch dann hatte es Gespräche zwischen Polizei und den Rocker-Präsidenten gegeben. Ergebnis: Beide Motorradclubs schickten lediglich Delegationen von jeweils zehn Mitgliedern.
Begleitet von jeweils etwa der doppelten Anzahl Polizeibeamten marschierten die zehnköpfigen Abordnungen der Hells Angels und der Bandidos nacheinander ins Gerichtsgebäude - alle in ihren Kutten mit dem jeweiligen Vereinssymbol: Totenkopf mit Schwingen (Hells Angels) oder Machete schwingender Mexikaner (Bandidos).
Zumindest auf Seiten der Hells Angels sind die starken Figuren aus ganz Deutschland erschienen, darunter die Präsidenten der Charter aus Hannover, Kiel und Midland (Solingen). Die wilden Rocker geben sich ganz zahm, fast schon betont gelassen.
Auch im mit dunkler Eiche getäfelten Schwurgerichtssaal 201, in dem auch schon der eine oder Teil eines Schimanski-Tatorts gedreht wurde, gibt es keinerlei Probleme - jede Gruppe vermeidet sogar den Blickkontakt zu jeweils anderen.
Nur Timur A., der im engen roten T-Shirt mit Hells Angels Aufdruck auf der Anklagebank sitzt, schaut immer wieder lächelnd und augenzwinkernd zum Hells-Angels-Block. Fast schon, als wolle er den Charter-Präsidenten sagen: "Schaut her, ich bin ein echter Angel. Ich töte sogar."
Ob Timur A. tatsächlich einen Mord begangen hat, will das die Schwurgerichtskammer des Duisburger Landgerichts in noch mindestens 14 Verhandlungstagen herausfinden. Gestern allerdings kam es noch nicht einmal zur Verlesung der Anklageschrift: Die Verteidiger von Timur A.hatten gerügt, dass die Benennung eines sogenannten Ergänzungsrichters nicht gesetzeskonform erfolgt sei - ein fast schon typisches Instrument der Verteidigung, um einen Grund für eine spätere Revision des Verfahrens zu ermöglichen. Vorsitzender Richter Schwartz vertagte daraufhin die Verhandlung auf den kommenden Mittwoch.