Indizienprozess: Lebenslang für Ursulas Peiniger
Urteil: 28 Jahre nach dem Tod der zehnjährigen Schülerin. Das Tatmotiv waren zwei Millionen Mark Lösegeld.
Augsburg. Bei Michael Herrmann, dem Bruder der entführten und erstickten Ursula, zeigt sich nach der Verurteilung des Peinigers seiner Schwester weder Erleichterung noch Genugtuung. "Ich bin froh, dass der Prozess vorbei ist, aber die Zweifel, die wir von Anfang an hatten, sind geblieben", sagt er auch im Namen seiner Eltern, die dem Verfahren fern geblieben sind.
Mehr als 28 Jahre nach der Entführung hat das Landgericht Augsburg den 59 Jahre alten Angeklagten in einem spektakulären Indizienprozess wegen erpresserischen Menschenraubs mit Todesfolge zu lebenslanger Haft verurteilt. Für das Gericht steht fest, dass Werner M. im September 1981 die zehnjährige Ursula bei Eching am Ammersee zusammen mit einem oder mehreren unbekannten Mittätern von ihrem Kinderfahrrad gezerrt, betäubt und in eine im Wald vergrabene Kiste gesperrt hat - um von den Eltern zwei Millionen Mark Lösegeld zu erpressen. Eine Stunde später war das Mädchen tot, lebendig begraben, erstickt.
Der Angeklagte habe die Tat sorgfältig geplant, die Kiste mit einem komplizierten, aber nicht funktionierenden Belüftungssystem gebaut und von einem Bekannten das Loch im Wald ausheben lassen. Der inzwischen gestorbene mutmaßliche Mittäter war von Zeugen mehrfach mit einem Spaten beobachtet worden. Er sagte damals aus, er habe für den Angeklagten gegen 1000 Mark Entgelt und einen Farbfernseher ein Loch im Wald graben sollen. Später widerrief er, das Loch gegraben zu haben.
Der Prozess sei zwar mit einem juristischen Urteil zu Ende gegangen, "doch es ist keine Klärung erfolgt, wie es damals tatsächlich gewesen ist und wer die Mittäter sind", sagt Michael Herrmann. Ursulas Mutter leide bis heute schwer unter dem Verlust ihrer Tochter und sei gesundheitlich angeschlagen. Der Bruder sei in einigen Punkten zu einer anderen Bewertung der Tat gekommen als das Gericht.
Der hünenhafte Angeklagte nimmt die Verurteilung regungslos zur Kenntnis. Zuvor begrüßt er kurz mit einem Küsschen seine mitangeklagte Ehefrau, die wegen mangelnder Beweise freigesprochen wird. Er beteuert bis zuletzt seine Unschuld.
Augsburgs Leitender Oberstaatsanwalt Reinhard Nemetz ist mit dem Urteil zufrieden: "Das Gericht hat die komplexe Beweisaufnahme mit großer Sorgfalt durchgeführt, der Schuldspruch ,lebenslänglich’ war zwangsläufig", sagt er. Ein so großes, langes, umfangreiches Schwurgerichtsverfahren habe er noch nie erlebt.
Im Laufe der jahrelangen Ermittlungen gab Festnahmen, Telefonüberwachungen und endlose Verhöre. Darunter war auch der jetzt Verurteilte, doch damals reichten die Beweise für eine Anklage nicht aus. Zum Verhängnis wurde ihm ein altes Spulen-Tonbandgerät. Es wurde 2007 bei ihm in Schleswig-Holstein gefunden, wo er inzwischen wohnt. Auf diesem Gerät kann eine Spezialistin in akribischer Feinarbeit einen "akustischen Fingerabdruck" isolieren, der exakt zu den mitgeschnittenen Erpresseranrufen von 1981 passt.