Japan: Soldaten durchkämmen das Katastrophengebiet
Tokio (dpa) - Unter Trümmern und im Meer suchen Soldaten in Japan einen Monat nach der Katastrophe noch immer nach fast 15 000 Vermissten. An der Atomruine Fukushima arbeiten Techniker seit dem Wochenende an einer Barriere aus Stahlplatten.
Die Wand soll verhindern, dass der Pazifik noch weiter mit verstrahltem Wasser verseucht wird. Außerdem will der Betreiber Tepco radioaktive Brühe, die die Arbeiten in der Anlage behindert, so schnell wie möglich abpumpen und entsorgen.
In die 20-Kilometer-Sperrzone rund um das Krisen-AKW kehrten kurzzeitig frühere Bewohner auf eigenes Risiko zurück und nahmen persönliche Habseligkeiten an sich. Ministerpräsident Naoto Kan versprach den Opfern bei einem Besuch in der Krisenregion Unterstützung.
22 000 Soldaten der japanischen Streitkräfte und des US-Militärs durchkämmten am Sonntag den Nordosten der Hauptinsel Honshu, berichtete der Fernsehsender NHK. 90 Flugzeuge kreisten über der Region, die von dem Mega-Beben und dem Tsunami am 11. März verwüstet worden war. Von 50 Schiffen aus wurde entlang der Küste nach Vermissten Ausschau gehalten, Taucher suchten in den Tiefen des Meeres. Die Behörden gehen davon aus, dass bei der Katastrophe fast 28 000 Menschen starben, bisher wurden knapp 13 000 Tote geborgen.
Ausgenommen von der großen Suchaktion ist nach Angaben des Fernsehsenders NHK die Gegend rund um das havarierte Kernkraftwerk Fukushima. Trotz des Strahlenrisikos suchten in der 20-Kilometer-Sperrzone rund um den Meiler frühere Bewohner nach persönlichen Gegenständen, wie japanische Medien berichteten. Außerdem wollten sie sich ein Bild vom Zustand ihrer Wohnorte machen.
Offiziell ist das Betreten der Sperrzone weiter verboten. Allerdings will die Regierung den Bewohnern schnell ermöglichen, zumindest kurz in ihre Heimatorte zu kommen, berichtete die Nachrichtenagentur Kyodo. Noch immer harren 150 000 Menschen in 2400 Notunterkünften aus.
In der Atomruine Fukushima Eins selbst kämpften die Techniker auch am Wochenende gegen einen möglichen Super-GAU. Ein Arbeiter wurde ins Krankenhaus gebracht. Er hatte über Übelkeit geklagt, meldete Kyodo. Der Mann war dem Bericht zufolge aber bei Bewusstsein. Tepco erklärte, er sei überarbeitet gewesen. Der Techniker war gerade dabei, im Reaktor 2 einen Schlauch zu verlegen.
Mit Hilfe solcher Schläuche will Tepco so schnell wie möglich Millionen Liter radioaktive Brühe aus der Anlage pumpen und in eine Entsorgungsanlage bringen. Japans Wirtschafts- und Industrieminister Banri Kaieda sagte nach einem Besuch in dem Krisen-AKW, dies müsse möglichst schnell geschehen. Kyodo berichtete, es werde aber noch dauern, bis mit dem Abpumpen begonnen werden könne.
Nach dem Mega-Beben und einer rund 15 Meter hohen Tsunami-Welle, die das Kraftwerk am Pazifik überrollte, war die Stromversorgung ausgefallen. Das Kühlsystem versagte, seitdem wird dafür Wasser in die Anlage geleitet. Großes Problem: Die Arbeiter wissen nicht mehr wohin mit den verstrahlten Wassermassen. Sie erschweren die Bemühungen, die Anlage zu stabilisieren.
Tepco war am Sonntag dabei, die Einleitung von schwach radioaktivem Wasser in den Pazifik abzuschließen. Mit der Aktion soll Platz für das noch stärker belastete Kühlwasser geschaffen werden. Die Aktion war international umstritten, benachbarte Länder hatten sich wegen der Strahlenbelastung besorgt gezeigt.
Mit Stahlwänden soll künftig eine noch schlimmere Verseuchung des Pazifiks verhindert werden. Mit sieben Stahlplatten in den Maßen vier mal acht Meter soll die Meerwasser-Ansaugleitung an dem Meiler umschlossen werden. Arbeiter begannen am Samstag, an einem Zulauf am Reaktorblock 2 von Fukushima Eins Barrieren zu errichten. Dort war tagelang hochgiftige Brühe unkontrolliert in den Ozean geströmt - bis das Leck nach mehreren gescheiterten Versuchen gestopft werden konnte.
Der Zulauf war schon vor der Katastrophe wegen Wartungsarbeiten mit Stahlplatten abgeschirmt worden. Der Tsunami hatte sie jedoch weggespült. Tepco plant zusätzlich eine 120 Meter lange Barriere aus Schlamm. Der Wall soll vom Meeresgrund bis zur Wasseroberfläche reichen.
Außerdem füllt Tepco weiter Stickstoff ins Reaktorgehäuse von Block 1, um die Gefahr einer Wasserstoff-Explosion wie kurz nach der Havarie zu bannen.
Japans Ministerpräsident Kan versprach bei einem Besuch in der Krisenregion Hilfe. In der verwüsteten Stadt Ishinomaki in der Präfektur Miyagi sicherte Kan Fischern Unterstützung zu, berichtete Kyodo. Er kündigte außerdem den Bau von 70 000 Wohnungen für Flüchtlinge an. In der verwüsteten Stadt Rikuzentakata bezogen bereits erste Überlebende der Erdbeben- und Tsunami-Katastrophe behelfsmäßig errichtete Häuser.