Kinder als Anziehpüppchen

Manche Eltern machen aus ihrem Nachwuchs kleine Stars. Mediziner warnen vor Risiken.

Berlin. Die fünfjährige Marie möchte Strähnchen. Auf ihren Fingernägeln glitzert es rosa, und auf den Lippen schimmert Gloss. "Mit Himbeergeschmack, lecker", sagt sie, während sie auf dem Friseurstuhl auf Verschönerung wartet. Auch Michelle ist mit ihren fünf Jahren bereits Stammkundin im stets gut gefüllten Salon eines Berliner Traditionskaufhauses.

"Ich lege Wert darauf, dass sie gepflegt aussieht, weil sie ein Teil von mir ist", gibt ihre Mutter in einem TV-Interview Auskunft. Was Prominenten wie Gwyneth Paltrow, Katie Holmes oder Madonna recht ist, ist mittlerweile auch vielen deutschen Eltern billig: Kosmetik, Friseur oder Kleider - für die lieben Kleinen darf’s gerne etwas Besonderes sein.

Vom quietschrosa Prinzessinnen-Shampoo über die komplette Hautpflegeserie bis zum Kinderduft: Das Angebot an speziell für den Nachwuchs kreierten Kosmetik-Produkten findet großen Zuspruch. Egal, ob Hautärzte vor zuviel Duft-, Konservierungs- und Farbstoffen als mögliche Allergieauslöser warnen.

Auch Mode für den Nachwuchs lassen sich viele Eltern etwas mehr kosten, wie der Erfolg der Kinderkollektionen von Armani oder Chloé zeigt. Ein Phänomen, das eher aus Frankreich und Italien bekannt war.

Ein gepflegtes, modisch gestyltes Äußeres als Alleinstellungsmerkmal - vor allem Mädchen kommen daran immer weniger vorbei. Nicht zuletzt durch Promi-Vorbilder. "Stars, die ihren Nachwuchs in Designer-Klamotten bereitwillig in die Kameras der Paparazzi halten, sind oft narzisstische Persönlichkeiten, von besonderem Geltungsdrang und Ehrgeiz", sagt Borwin Bandelow, Professor für Psychiatrie und Psychotherapie an der Uni Göttingen.

"Sich vor anderen zu profilieren gehört zum Starsein dazu. Und das ,perfekte Kind’ ist dabei oft der verlängerte Arm des eigenen Narzissmus", sagt Bandelow. Bei Eltern, die viel Wert auf Statussymbole, wie teure Kleidung und edle Kosmetik legen, funktioniere das im Umgang mit eigenen Kindern oft ähnlich: Eigene Wünsche würden auf die Kinder projiziert, die im Extremfall als "Mini-Me" - als Mini-Erwachsenen-Version - betrachtet und entsprechend gestylt würden.

"Das kann für die kindliche Persönlichkeitsentwicklung negative Folgen haben", warnt Bandelow. Denn wer ständig auf seine Klamotten guckt, spielt vermutlich weniger im Matsch, klettert seltener auf Bäume und wählt vielleicht auch seine Freunde nach äußeren Kriterien aus. "Jedes Kind verkleidet sich gern. Aber das kann irgendein Glitzerkleid sein. Es merkt ja nicht, ob es eine alte Latzhose oder eine Markenjeans trägt."

Die Psychotherapeutin Prof. Ada Borkenhagen sieht vor allem für Mädchen die Gefahr, früh engen Schönheitsidealen nachzueifern. "Die Kinder haben es schwerer, ihre eigene Identität zu entwickeln, denn ein Abweichen von der Norm macht Angst."