Konzert: Whitney Houston - Fans üben Nachsicht mit der Diva
Auf der Bühne sorgt Whitney Houston (46) gleichermaßen für Wiedersehensfreude und Ratlosigkeit.
Oberhausen. Es gab Zeiten, in denen wurde alles, was sie in die Hand nahm, wahlweise zu Silber, Gold, Platin oder einem Grammy: Das galt seit 1985 ebenso für ihre Alben wie für eine Armada aus Hit-Singles - bis hin zum Kino-Film an der Seite von "Bodyguard" Kevin Costner, in dem sie 1992 eine Pop-Diva verkörperte.
Im Jahr 2010 beschert Whitney Houston ihren Fans auf "Nothing But Love"-Tour, mit der sie seit zehn Jahren das erste Mal wieder in Deutschland zu sehen ist, vom Leben gezeichnet und mit brüchiger Stimme ein Wechselbad der Gefühle: Auch beim Auftritt am Mittwoch in der Arena in Oberhausen ist sie im Publikum zu spüren - die Mischung aus Wiedersehensfreude, Sentimentalität und Ratlosigkeit.
Ihrer 100-Minuten-Show mit Höhen und Tiefen folgen stehende Ovationen - die gut 6000 Zuhörer sind milde gestimmt - sie bleiben, anders als bei bisherigen Konzerten, bis zum letzten Song in der Halle: An der Seite ihrer ausgezeichneten Band und stimmgewaltiger Background-Sänger schafft es die 46-Jährige, mit Charme, Hits und strategisch dosierten Kräften, den Abend entgegen vieler Befürchtungen für sich zu entscheiden.
Eine gescheiterte Ehe, Drogen und der jähe Absturz aus dem Pop-Himmel: Mit Skandalgeschichten seit Mitte der 90er Jahre ließen sich einige un-autorisierte Whitney-Houston-Biografien füllen. Was letzten Endes zählt, ist die Konsequenz aus all diesen Achterbahnfahrten: Kritische Journalisten und verärgerte Ticketkäufer ließ sie nach dem Tournee-Start mit einem Fragezeichen zurück. Warum tut sie sich und ihren Fans in dieser Verfassung das an? Missglückt ein Konzert, zahlen die Fans die Zeche.
Auf das Fragezeichen gibt es nach einem Konzertabend wie dem in Oberhausen nur eine plausible Antwort: Im Zeitalter der Musik-Downloads wird das Geld mit Tourneen verdient. Das zieht eine Maschinerie nach sich, die - einmal in Gang gesetzt - kaum zu stoppen ist. Shows oder gar eine Tour abzusagen, weil der Star (noch) nicht in Form ist, ginge mit Millionen-Verlusten einher.
Was der enorme Druck vor dem Comeback-Marathon eines Weltstars anrichten kann, zeigte sich zuletzt bei Michael Jackson. Whitney Houston dagegen wird im Zeitalter omnipräsenter Handy-Kameras und gnadenloser Youtube-Mitschnitte zur tragischen Figur, wenn sie einen Ton nicht trifft und trotzdem tapfer weiter singt.
Dass die Ordner während des Konzerts durch die komplett bestuhlte Halle schreiten und wachsam selbst nach kleinsten Objektiven Ausschau halten, spricht für sich. "Keine Videos!", ruft einer der Anzugträger selbst beim finalen "I Will Always Love You" laut in die Menge. Grundlos. Songs wie dieser werden gefeiert, auch wenn Whitney Houston nicht mehr die Stimmgewalt früherer Jahre erreicht und sich zwischen den Liedern minutenlang Zeit nimmt, ganz so, als müsse sie erst wieder zu Atem kommen.
Andere Hürden wiederum nimmt die Amerikanerin wie in alten Zeiten: Ihr Dauerflirt mit dem Publikum stößt ebenso auf loyalen Beifall wie die Verbeugung vor Michael Jackson und ihre Medien-Schelte: Sie interessiere nicht, was in der Presse über sie geschrieben werde, lässt sie ihre Fans bei einer ihrer gut fünfminütigen Moderationen wissen - und dankt ihnen einmal mehr für ihre Treue. So ringt Whitney Houston auf dem Rückweg zum Gipfel weiterhin mit sich selbst - und das auf halber Strecke.