Kunsthistoriker sagt gegen Achenbach aus
Essen (dpa) - Lounges auf der Art Basel, schicke Abendessen bei der Documenta in Kassel - der prominente Kunstberater Helge Achenbach führte den reichen Pharma-Unternehmer Christian Boehringer durch die schillernde Welt der Kunst.
Auf Kunstmessen und Großausstellungen bahnte der einflussreiche Kunsthändler seine Geschäfte an. Wie das im Fall Boehringer ablief, schildert der Kunsthistoriker Thomas Kellein im Millionenbetrugsprozess gegen Achenbach. Der angeklagte Kunstberater hatte den langjährigen Leiter diverser Museen für einen Spezialauftrag engagiert. Kellein sollte als Berater helfen, die Kunstsammlung Boehringers aufzumöbeln und erstklassig machen.
„Ich kannte Achenbach als bedeutenden Kunstberater und respektable Person. Ich war beeindruckt von ihm“, sagt Kellein in seiner mehrstündigen Befragung am Landgericht Essen. „Als ich anfing, für Achenbach zu arbeiten, war ich naiv und gutgläubig.“ Achenbach sei „warmherzig, freundschaftlich und fürsorglich gewesen“. Ein Dreivierteljahr nach Beginn der Zusammenarbeit ist es Kellein, der im Frühsommer 2013 den wohl entscheidenden Hinweis gibt, der die Betrugsaffäre um Achenbach ins Rollen bringt.
Es beginnt mit gemeinsamen Rundgängen auf der Art Basel. „Wir haben dem Sammler Werke gezeigt, in spielerischer Form“, erzählt Kellein. „Es ging um Tuchfühlung.“ Sie seien immer so eine „kleine Menschentraube“ gewesen. In der Messelounge habe man später auf bequemen Stühlen gesessen und über das Sammeln von Kunst geredet. Und man habe Boehringer gesagt, dass man wohl „sehr viel Zeit und sehr viel Geld“ investieren müsse, um aus seiner Sammlung „etwas zu machen“. Boehringer sei ein „sparsamer, bescheidener Mann“, sagt Kellein. Als der Unternehmer nach ein paar Monaten Bedenkzeit eingewilligt habe, sei das eine „Supernachricht“ gewesen.
Über die Kunstberatungsfirma Berenberg Art Advice, deren Geschäftsführer Achenbach und ein mitangeklagter Kunstexperte waren, sollte für Boehringers Millionen Kunst beschafft werden. Kellein beschreibt seine Rolle dabei als die eines „Souffleurs“, der den Sammler durch die Welt der Kunst führt. Manchmal sei er auch nur der „Laufbursche“ zwischen dem Kunden und dem Berater gewesen.
Auf Empfehlung seiner Berater kaufte Boehringer recht spezielle Werke, zum Beispiel eine Stickarbeit von Alighiero Boetti, die von Handwerkern in Afghanistan angefertigt wurde. Fünf auf Blättern geschriebene „Texte“ des US-Konzeptkünstlers Lawrence Weiner, die später erst zu Kunstwerken verarbeitet werden sollten, kosteten rund 1,1 Millionen US-Dollar.
„Pass mal auf, wir verkaufen das dem Christian teurer“, habe Achenbach gesagt, so Kellein. Für die fünf Weiner-Texte zahlte Boehringer später rund 1,8 Millionen Dollar. Kellein bekam eine Provision von rund 200 000 Dollar. „Ich fand das außergwöhnlich großzügig, eigentlich traumhaft“, sagt er.
Auch Kellein verdiente gut mit an seiner Beratertätigkeit. Insgesamt 45 000 Euro habe er 2012 von der Berenberg Art Advice überwiesen bekommen. 2013 waren es monatlich fast 7000 Euro - bis zum Juni, als Kellein die Gesellschafter der Privatbank Berenberg in Hamburg über die hohen Preisaufschläge Achenbachs informierte und die Kunstberatungssparte kurz darauf aufgelöst wurde.
Zunächst habe er keinen Verdacht bei den höheren Preisen für Boehringer geschöpft, sagt Kellein. „Ich habe gedacht: Na ja, so ist es halt.“ Als aber einem weiteren Kunden ein frühes Bild von Georg Baselitz für rund 800 000 Euro verkauft werden sollte, nachdem es die Angeschuldigten für 200 000 Euro erworben hatten, sei bei ihm „der Groschen gefallen“. Kellein griff nach eigenen Angaben zum Telefonhörer und warnte die Berenberg Bank. Er wurde zum „Whistleblower“, zum Enthüller einer spektakulären Affäre. Dann listete er in einem Brief alle Kunstverkäufe an Boehringer auf und zahlte seine Provision zurück.
„Was hast Du dir dabei gedacht? Ich bin fassungslos“, habe Achenbach ihm kurz darauf in einem Telefonat gesagt. Der Kunstberater wurde ein knappes Jahr später, im Juni 2014, festgenommen. Kellein berät Boehringer nach eigenen Angaben bis heute beim Kunstsammeln.