Mai-Krawalle: „Fast hätte es Tote gegeben“

Rechte und linke Autonome gehen in Hamburg aufeinander los. Die Polizei wurde von der Schwere der Gewalt überrascht. Auch in Berlin und Wuppertal gab es Verletzte.

Hamburg/Berlin/Wuppertal. Zu hunderten prügeln Rechts- und Linksextremisten aufeinander ein. Polizeihubschrauber kreisen knatternd über der bedrohlichen Szenerie.

Passanten werden von Fahrrädern gerissen und niedergeschlagen, Linienbusse attackiert sowie Autos und Barrikaden in Brand gesetzt - bei den schwersten Ausschreitungen seit Jahren ist die Polizei in Hamburg am 1.Mai mit einer neuen Dimension der Gewalt konfrontiert worden.

"Wenn sich die Polizei nicht dazwischen geworfen hätte, hätte es Tote gegeben", ist sich Einsatzleiter Peter Born sicher.

Die Polizei setzte Wasserwerfer ein, um Gegendemonstranten von der Route der Rechtsextremisten zu vertreiben. Umgekehrt flogen Steine und Feuerwerkskörper auf die 2500 eingesetzten Beamten. Insgesamt wurden 30 Polizisten verletzt, 59 Personen festgenommen.

Anwohner verfolgten fassungslos, wie sich ihr Viertel für mehrere Stunden in ein Schlachtfeld verwandelte. Schon vor Beginn der eigentlichen Demonstration der Rechtsextremisten hatte eine große schwarze Rauchwolke über dem Stadtteil gestanden, nachdem ein Reifenlager in Brand gesetzt worden war. Auch auf den Gleisen einer S-Bahnlinie hatten Chaoten Feuer gelegt.

Überrascht waren die Einsatzkräfte vor allem von der Gewaltbereitschaft der rund 1500 Rechtsextremisten. Born sprach von "nackter Gewalt". "Wie aufs Stichwort" stürzten sich mehrere hundert Neonazis schon beim Anmarsch auf linke Gegendemonstranten und begannen eine wüste Schlägerei.

"Als die Polizei kam, stob diese aufeinander einschlagende Masse in alle Richtungen davon", sagt Born. Hinzu kommt, dass Linksextremisten und die rechten, sogenannten "nationalen Autonomen", optisch überhaupt nicht voneinander zu unterscheiden waren.

"Es war eine Schwere der Gewalt, die uns dort entgegengekommen ist, die wir nicht in vollem Umfang erwartet hatten", beschreibt Hamburgs Polizeipräsident Werner Jantosch die Situation. Die vielen aus anderen Bundesländern und aus dem Ausland angereisten Krawallmacher hätten die Lage schwer vorhersehbar gemacht.

Auch die Entscheidung des Hamburger Oberverwaltungsgerichts, gegen den Willen der Polizei beide Demonstrationszüge teilweise auf derselben Strecke laufen zu lassen, verschärfte die Lage zusätzlich. "Glücklich war es allemal nicht", kommentiert Jantosch die OVG-Entscheidung. Kritik am Einsatzkonzept der Polizei wies er aber zurück.

In Berlin - früher am 1. Mai traditionell Ort schwerer Ausschreitungen - herrschte hingegen vergleichsweise Ruhe. Trotz einzelner Gewaltausbrüche und Krawalle von Linksautonomen zogen die Behörden am Freitag eine weitgehend positive Bilanz. Insgesamt wurden in der Hauptstadt 162 Menschen festgenommen. 103 Polizisten wurden verletzt - im vergangenen Jahr waren es noch 130.

Für mehr Aufsehen als die inzwischen ritualisierten kleineren Ausschreitungen sorgte die Begegnung des Polizeipräsidenten Dieter Glietsch mit gewaltbereiten Demonstranten. Der Polizeipräsident wollte die Stimmung in Kreuzberg persönlich begutachten.

Er wurde jedoch von Autonomen erkannt, mit Bier bespritzt, beschimpft und bedrängt. Seine Leibwächter mussten ihn in Sicherheit bringen, bevor er in einem Mannschaftswagen der Polizei die Flucht antrat.

In NRW kam es vor allem in Wuppertal zu Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten und der Polizei. Rund 350 Personen hatten sich ohne vorherige Anmeldung zu einem Protestmarsch getroffen. Die Polizei nahm mehr als 150 Menschen fest. Vier Beamte wurden verletzt.