Mit elf Jahren in die Prostitution
Kriminalität: In den Niederlanden geraten jedes Jahr 3000 Mädchen in die Fänge von jungen Zuhältern. Die „Loverboys“ gaukeln ihnen Liebe vor.
Amsterdam. Schmetterlinge nennt Anita de Wit ihre Schützlinge. "Sie sind so graziös und so verletzlich wie Schmetterlinge", sagt die 49-jährige Holländerin. 2007 hat sie die Organisation "StopLoverboys" gegründet. Sie hilft Mädchen, die - oft noch mitten in der Pubertät - erst zum Sex verführt und dann zur Prostitution gezwungen wurden. Mit 13, zwölf oder noch jünger. Sie sind Opfer von jungen Zuhältern mit Don-Juan-Allüren.
"Meiner war wohl 19", erzählt ein rothaariges Mädchen, das sich "Angel" ("Engel") nennt. "Er sprach mich vor der Schule an. Er hatte schöne Augen, schenkte mir schicke Sachen. Ich war verknallt in ihn." Dann der erste Sex in seiner Bude. "Kurz danach kamen andere Jungen ins Zimmer. Es sei normal, dass seine Freunde auch Sex mit mir haben, sagte er."
So oder ähnlich hören sich die scheußlichen Geschichten an, die De Wit und andere Helferinnen von "StopLoverboys" zu hören bekommen. "Dann tischen ,Loverboys’ die Geschichte mit den Schulden auf, die sie nur abzahlen könnten, wenn das Mädchen ein paar Mal mit Männern ins Bett gehe." Aus ein paar Mal wird täglich, schließlich mehrmals täglich. Bald kommt Haschisch ins Spiel, später härtere Drogen.
"Angel" war erst elf, als sie ihren "Loverboy" kennenlernte. Mit 15 war sie seelisch ausgebrannt. Unzählige Male missbraucht, abgehauen aus dem Elternhaus. Schließlich sollte sie "verkauft" werden. "In ein deutsches Bordell, aber kurz vor der Grenze hatten wir einen Unfall."
Heute tritt "Angel" in Schulklassen auf, um Mädchen zu warnen. Manchmal ist auch Angélique dabei, De Wits 21-jährige Tochter. Dass sie mit 15 an einen "Loverboy" geriet, war für die Mutter das treibende Motiv zur Gründung von "StopLoverboys".
"Hunderte Fälle werden in den Niederlanden jedes Jahr aktenkundig", sagt De Wit. "Wir schätzen, dass jährlich 3000 Mädchen ,Loverboys’ in die Hände fallen."
An Hollands Grenzen macht das Phänomen nicht halt. "Die Methode wird längst in Deutschland kopiert", heißt es bei der niederländischen Polizei. Deshalb wird "StopLoverboys" nun auch hier aktiv. Bärbel Kannemann, pensionierte Hauptkommissarin, bemüht sich um Hilfe für Betroffene und bietet allgemein Informationen zu dem Thema an.