Nachruf: Der Mann mit der Brille ist tot
Erich Böhme schrieb als Chefredakteur des „Spiegel“ Geschichte. Später wurde er als Moderator von „Talk im Turm“ bekannt.
Hamburg. Er war einer der einflussreichsten Journalisten in Deutschland: Erich Böhme, fast 17 Jahre lang Chefredakteur des Nachrichtenmagazins "Der Spiegel", ist am Samstag nach längerer Krankheit im Alter von 79 Jahren gestorben.
Der gebürtige Frankfurter festigte den Ruf des Hamburger Wochenblatts als Enthüllungsmagazin, bevor er als Moderator von "Talk im Turm" auf Sat.1 einem Millionenpublikum zum bekannten Gesicht wurde.
Im Fernsehen war Böhme der Mann mit der Brille. "Meine Brille - das ist wie der Schwanz beim Dackel, wenn er sich freut", sagte der Moderator einmal zum schwungvollen Drehen der Augengläser in seiner Hand.
Von 1990 bis 1998 war Böhme 393-mal Gastgeber der renommierten Sendung. Seine schärfsten Konkurrenten in jenen Jahren waren Frauen: Maybrit Illner (ZDF) mit "Berlin Mitte" und Sabine Christiansen (ARD), die wie Böhme am Sonntag ihre Plaudergäste empfing.
Geschichte schrieb der studierte Volkswirt jedoch beim "Spiegel". Nach Stationen bei den Vereinigten Wirtschaftsdiensten vwd und der "Deutschen Zeitung" heuerte Böhme 1958 in Hamburg an, zunächst als Wirtschaftskorrespondent in Bonn. 1973 wurde der Mann, der sich selbst als "unheilbaren Journalisten" bezeichnete, als Nachfolger von Günter Gaus Chefredakteur des Magazins.
Der Rücktritt des schleswig-holsteinischen Ministerpräsidenten Uwe Barschel (CDU) im Jahr 1987 geht nicht zuletzt auf Böhmes Konto. Unter seiner Verantwortung veröffentlichte "Der Spiegel" die Enthüllungen des Medienreferenten Reiner Pfeiffer über Barschels Manipulationen im Landtagswahlkampf. Laut Böhme der Höhepunkt seiner Karriere.
In jenen Jahren gab es aber schon Konflikte zwischen Chefredakteur Böhme und "Spiegel"-Herausgeber Rudolf Augstein. Im Herbst 1989 schrieb Böhme dann über die nahende Vereinigung der beiden deutschen Staaten: "Ich möchte nicht wiedervereinigt werden." Kurze Zeit später bat er Augstein um die vorzeitige Auflösung seines Vertrags.
1990 wurde Böhme Herausgeber der "Berliner Zeitung", die im Ostteil der künftigen Hauptstadt fest verwurzelt war. Vier Jahre lang nahm Böhme diese Position ein. Parallel dazu kam er als Talkmaster bei Sat.1 auf den Bildschirm. Mit dem "Talk in Berlin" feierte er auf n-tv später sein Comeback.
Für seine Moderatorenrolle im Fernsehen heimste Böhme mehrere Preise ein. Als Journalist pendelte er zwischen Hamburg und Berlin, hatte Wohnsitze an der Nordsee und in Südfrankreich, doch beim Fußball hielt er der Eintracht aus seiner Geburtsstadt Frankfurt die Treue. Böhme war vier Mal verheiratet; seine zweite Frau starb an Krebs. Auch Böhme selbst hatte die heimtückische Krankheit.
Nach einem Urlaub in Frankreich bekam der damals 73-Jährige die Diagnose, wieder erkrankt zu sein. "Der Krebs ist leider zurückgekehrt. Aber ich werde ihn erneut zum Teufel jagen", sagte Böhme der "Bild am Sonntag" im Jahr 2003. Schon damals bekannte der Journalist indes offen, es gehe ihm "nicht gut".
Die aktuellen "Spiegel"-Chefredakteure Georg Mascolo und Mathias Müller von Blumencron würdigten seine Verdienste. "Mit Erich Böhme verlieren wir einen herausragenden Journalisten, einen großartigen Kollegen, einen wunderbaren Menschen." Man werde ihn vermissen. "Wir beim Spiegel haben ihm so viel zu verdanken."