Nina Hoss: Zart – aber mit starker Strahlkraft
Porträt: Die Schauspielerin Nina Hoss ist im Kino zweifach präsent.
Düsseldorf. Die rote Bluse flattert auf der Wäscheleine. Ein Modell von der Stange, das nur durch seine Farbe auf ein paar Blicke hoffen kann. Yella bricht auf. Wittenberge, die vom Wirtschaftsaufschwung vergessene Stadt an der Elbe, will sie ebenso hinter sich lassen wie ihren Mann Ben. Die gemeinsame Firma ist bankrott, ihre Liebe am Ende. Mit großen Hoffnungen im Gepäck und auffallend schlicht gekleidet mit der roten Bluse und einem schwarzen Rock macht sie sich auf Richtung Westen.
Yellas Schönheit strahlt nicht. Und doch nimmt einen diese Frau schon nach den ersten Momenten für sich ein. Yella bittet nicht um Hilfe. Und doch möchte man ihr von Anfang an zur Seite stehen. Nina Hoss ist Yella. Sie bekam für ihre schauspielerische Leistung in dem gleichnamigen Film von Christian Petzold den Silbernen Bären der Berlinale. Ab morgen ist die Geschichte, ein verstörendes Spiel mit Wirklichkeiten, im Kino zu sehen. In "Hannah", dem Debütfilm von Erica von Moeller, zeigt die 32-jährige Schauspielerin ebenfalls ab morgen ein sehr ähnliches Gesicht auf der Leinwand: unnahbar, unabhängig und doch zart und zerbrechlich.
Nina Hoss gehört zu den großen Charakterdarstellerinnen, die der deutsche Film und das deutsche Theater zurzeit zu bieten haben. Seit dem "Mädchen Rosemarie" von 1996 hagelt es Auszeichnungen: Adolf-Grimme-Preise in Gold für "Toter Mann" und "Wolfsburg" - beides Filme ihres Lieblingsregisseurs Christian Petzold - Bayerischer Filmpreis für "Die weiße Massai" und neben großem Kritikerlob auch den Gertrud-Eysold-Ring für ihre "Medea" am Deutschen Theater in Berlin.
Es heißt, sie habe das Zeug zu einem neuen internationalen Star. Gute Aussichten, zumal die Tochter von Willi Hoss, ehemals Abgeordneter bei den Grünen, und Heidemarie Rohweder, Schauspielerin und später Intendantin der Landesbühne Esslingen, klare Vorstellungen von ihrer künstlerischen Arbeit hat. Sie ist eigensinnig, wenn es um die Sache geht.
In der aktuellen "Zeit" beklagt Hoss die Zustände ihrer Zunft: "Ich habe manchmal das Gefühl, das Theater und der Film sind die letzten Bereiche, wo diese starken Hierarchien einfach so hingenommen werden. Ich wundere mich immer wieder über Schauspielerkollegen, die sich das gefallen lassen." Als schwierig gelten in der Branche ihrer Meinung nach Frauen, die sich wehren, nämlich als Zicke und Diva. Zwar sei das bei ihr noch nicht so, aber es könne bald so weit sein, fügt sie lachend an.
Sie lässt sich nicht vereinnahmen, diese große blonde Frau. Und gerade das macht ihre Stärke aus. Ihre Strahlkraft zeigt sich im Film in sparsamen Gesten, in Blicken, mit denen sie Menschen an sich abprallen lässt oder ihnen ihr Herz anvertraut. Regisseur Petzold gewährt ihr dabei alle Freiheiten, zwängt sie nicht in lange Dialoge. Lernt man diese Yella kennen, hält man es nicht für möglich, dass ihre Darstellerin als Furie Medea einen ganzen Theaterraum in Angst und Schrecken versetzen kann. Nina Hoss ist als Schauspielerin eben alles andere als ein Modell von der Stange.