Nobelpreisträger Harald zur Hausen: „Ich bin auch nicht allwissend“
Interview: Der Mediziner Harald zur Hausen bekommt heute den Nobelpreis, will aber so weiter leben wie bisher.
Herr zur Hausen, meinen Sie, dass sich Ihr Einfluss durch den Nobelpreis verändert hat?
Zur Hausen: Es ist erstaunlich, wenn man sieht, dass man fast als ein anderer Mensch betrachtet wird. Ich lege aber großen Wert darauf, mein Leben sobald wie möglich so weiterführen zu können, wie ich es in den vergangenen Jahrzehnten getan habe - soweit das möglich ist. Derzeit werde ich tatsächlich zu allen möglichen Dingen befragt. Aber man ist als Nobelpreisträger nicht allwissend.
Sie betonen sehr die Lage in den Entwicklungsländern und fordern Hilfe und Therapien.
Zur Hausen: Das ist ein großes Problem. Ich sehe beim Gebärmutterhalskrebs, der in vielen Entwicklungsländern die häufigste Krebsart überhaupt ist, eine sehr gute Möglichkeit, etwas zu tun und zu helfen. Da setze ich mich in der Tat relativ lautstark ein, damit die Preise für die Medikamente und den Impfstoff gegen Gebärmutterhalskrebs gesenkt werden. Das geschieht derzeit offenkundig, zum Beispiel in Mexiko.
Sind Gesellschaft und Politik sensibel genug für die Gefahr des Gebärmutterhalskrebses?
Zur Hausen: In den Entwicklungsländern ja. In Tansania etwa sind die Mütter grundsätzlich mehr als bereit, ihre Töchter rasch impfen zu lassen, weil sie natürlich das Problem vor Ort sehen. Ich habe bei der Arbeit in einer Klinik in Kenia, in Nairobi, die grauenhaftesten Fälle von Gebärmutterhalskrebs gesehen. Die Frauen werden von den Familien verstoßen. Wir machen uns kein Bild davon, weil bei uns die Frauen natürlich früher operiert werden.
Ist der Kenntnisstand in Deutschland ausreichend oder gibt es Wissenslücken?
Zur Hausen: Der Stand scheint mir im Moment ausreichend zu sein. Auch wenn immer noch verwechselt wird, dass die Früherkennung etwas anderes macht als die Impfung. Die Früherkennung erkennt Läsionen, die dann behandelt werden müssen, während die Impfung gegenwärtig bis zu 80 Prozent dieser Läsionen verhindert. Das sind zwei verschiedene Paar Schuhe.
Wie ist die Bereitschaft zur Impfung in Deutschland oder Europa?
Zur Hausen: Wir sind auf einem guten Weg. Die Impfung ist erst seit zwei Jahren verfügbar, da sind 40 Prozent Erfassung ganz stattlich.
Wird Krebs eine heilbare Krankheit?
Zur Hausen: Wir sind erfolgreich auf einigen Gebieten, aber so pauschal kann man das nicht betrachten. Was man sagen kann ist, dass individuellen Krebsarten sehr spezifisch vorgebeugt werden kann oder sie auch therapiert werden können. Der Vorteil einer infektionsbedingten Krebserkrankung ist, dass man sehr genau definieren kann, welche Gene für den Krebs verantwortlich sind. Werden diese Gene ausgeschaltet, sind die Krebszellen keine Krebszellen mehr.
Sie sind begeisterter Tierfotograf, Ihre Frau ist Südafrikanerin, und gemeinsam sind Sie oft in ihrer Heimat. Vergessen Sie dort den Forschungsalltag?
Zur Hausen: Ja, ich kann da in Gedanken völlig auf die Tiere und die Natur umschalten.
Können Sie noch eine Türklinke anfassen, ohne sich zu überlegen, was darauf lauert.
Zur Hausen: Ich kann relativ unbefangen durch das Leben gehen. Aber wo ich sehe, dass etwas ein Risiko sein kann, da bin ich auch zurückhaltend. Ich habe zum Beispiel bis 1970 geraucht, habe dann konsequent aufgehört und bin heute sehr dagegen.
Wie können wir leben, um einem Krebsrisiko weitgehend aus dem Weg zu gehen?
Zur Hausen: Mit einem Wort: vernünftig. Wer etwa vernünftig und ausgewogen isst, nicht raucht und wenig Alkohol trinkt, geht schon einen guten Weg.