OLG-Urteil: Wer auffährt ist nicht immer alleine schuld
Hamm (dpa/lnw) - „Wenn's hinten kracht, Bargeld lacht“. Juristen würden eher sagen: Der erste Anschein spricht dafür, dass der Auffahrende Schuld hat. Das OLG Hamm hat diese Sichtweise jetzt kritisch hinterfragt.
Bei Karambolagen mehrerer Autos ist nicht automatisch der Hintermann alleine schuld. Nach einem am Dienstag veröffentlichten Urteil des Oberlandesgerichts Hamm kann der Schaden hälftig geteilt werden, wenn sich der Ablauf des „Kettenauffahr-Unfalls“ nicht mehr sicher aufklären lässt. Ein Zivilsenat des OLG habe damit erstmals die allgemeine Vermutung kritisch hinterfragt, ob tatsächlich der Auffahrende wegen eines ungenügenden Sicherheitsabstands immer die volle Schuld trage, sagte Gerichtssprecher Christian Nubbemeyer (Az.: 6 U 101/13 - noch nicht rechtskräftig).
Im konkreten Fall ging es um einen Auffahrunfall mit vier Autos im Mai 2011 in Gronau. Das vorletzte Auto in der Kette war das des Klägers. Er klagte gegen die Frau, die seinem Wagen ins Heck gefahren war. Der Schaden am Heck betrug 5300 Euro. Die wollte der Kläger wiederhaben. Der 6. Zivilsenat sprach ihm aber nur die Hälfte der Summe zu. Der Kläger könne sich hier „nicht auf einen Beweis des ersten Anscheins für ein Verschulden der auffahrenden Beklagten berufen“, hieß es.
Das Gericht konnte nicht aufklären, was genau passiert war: War der Wagen des Klägers damals rechtzeitig zum Stehen gekommen und wurde dann erst von dem Auto der Beklagten auf den Vordermann geschoben? Oder war der Wagen des Klägers erst auf den Vordermann aufgefahren und danach selbst am Heck getroffen worden? Im zweiten Fall könnte der normale Anhalteweg unvorhersehbar verkürzt worden sein, da der Wagen des Klägers ja „ruckartig“ zum Stehen gekommen sei.