„Platon statt Prada?“ - Philosophie als Lebenskunst

Hamburg (dpa) - Wer will das nicht: Glücklich sein, die richtigen Entscheidungen treffen, überhaupt gut leben. Die neu gegründete „modern life school“ in Hamburg will Denkanstöße rund um die Lebenskunst geben.

Und zwar mit dem Wissen der alten Philosophen.

Es sind Fragen, die viele Menschen nicht loslassen. Wie finde ich das Glück, wie Mr. oder Mrs. Right? Wie schaffe ich es, Leben und Arbeiten unter einen Hut zu bekommen? Und dabei nicht in die Perfektionsfalle zu tappen? Wer erfahren will, wie das gehen kann mit der Kunst des Lebens, für den gibt es eine neue Anlaufstelle im Pool der Lebenssinn-Angebote: die „modern life school“ in Hamburg. Schon die Titel der Kurse wie „Platon statt Prada?“ zeigen, dass Philosophie hier eine Hauptrolle spielt. Die Ideen der alten Denker, übertragen auf die Jetztzeit.

Patentrezepte gibt es in der Hamburger Schule nicht. „Auch wir haben nicht den Lichtschalter im Tunnel“, sagt Pia Schaf, eine der beiden Gründerinnen. „Aber wir haben Ideen, wie man die Welt ein bisschen verrücken kann, anders hingucken kann, anfangen kann, um die Ecke zu denken.“ Es gehe vor allem um das Fragen, meint Schafs Kollegin Gaby Bohle. „Das Ziel ist: inspiriert werden, nachzudenken - und das in Gemeinschaft mit ähnlich Interessierten zu einem Thema, das mich angeht.“

Der Weg zu diesem Ziel ist eine Art Rundreise durch die Philosophie. In den Kursen - ob „Von der Kunst, cool zu sein“ oder „Von der Kunst, die richtigen Entscheidungen zu treffen“ - werden die Ansätze verschiedener alter und jüngerer Denker präsentiert. Philosophie für den Alltag also, als Anregung zum Selberdenken. Das müsse nichts Schweres sein, betont Schaf. „Unsere Bandbreite reicht von Sokrates bis Winnie the Pooh.“

Auch wenn es im PR-Material der „modern life school“ heißt, das Rezept für die Denkanstöße sei „Philosophie statt Psychologie“, räumt Bohle ein, die Übergänge seien fließend: „Es grenzt immer auch an die Psychologie.“ Doch die beiden 48-Jährigen wollen eben auch Menschen ansprechen, die Psychologie vor allem mit Problemen verbinden. Die aber „vielleicht gar kein Problem“ haben, sondern einfach nur neugierig sind auf die dreistündigen Abendkurse mit Vortrag, Gruppenarbeit und Diskussion. Die statt ins Restaurant oder ins Theater auch mal zum Philosophieren gehen wollen. Die Lust haben, sich für 50 Euro in einem hellen Raum auf der Harburger Schlossinsel im Süden Hamburgs mit Lebensthemen auseinanderzusetzen.

Auf die Idee für die „modern life school“ kamen Bohle und Schaf durch einen Magazin-Artikel über die „Schule des Lebens“ in London, die der Philosoph und Bestsellerautor Alain de Botton („Wie Proust Ihr Leben verändern kann“) mit anderen gegründet hat. Der Text traf die beiden Frauen, die nach vielen Jahren in der Werbung auf der Suche nach etwas Neuem waren, „wie ein Blitz“, wie Schaf erzählt. Sofort sei klar gewesen: „Das isses, das machen wir!“

Das Londoner Konzept lasse sich aber nicht eins zu eins übertragen, sagt Schaf. Schließlich werde in Deutschland über die Frage, ob Philosophie etwas mit dem Alltagsleben zu tun haben dürfe, „vielleicht erbitterter gestritten als anderswo“. Das heißt: Darf man die großen Werke der Philosophie auf ihren heutigen Alltagsnutzen durchforsten, akademische Theorie hin oder her? Es ist ein Streit um Lebensferne oder Lebensnähe von Wissenschaft. Die Debatte lässt Bohle befürchten, dass ihr „Philosophie zum Anfassen“-Projekt als zu einfach abgestempelt werden könnte. „Es ist ein schmaler Grat. Wir hoffen, dass es in Deutschland angenommen wird.“

Barbara Brüning, Professorin für Philosophiedidaktik in Hamburg, unterstützt den Ansatz, gemeinsam über wichtige Sinnfragen nachzudenken. „Dabei kann man herausfinden: Was bedeutet für mich eigentlich Glück oder Gerechtigkeit?“ Und überlegen, ob sich frühere philosophische Thesen dazu heute noch übernehmen lassen. Wenn man darüber diskutiere, könne der eine von den Gedanken des anderen profitieren, findet Brüning. „Es gibt ja auch bei der Volkshochschule Kurse, wo man das machen kann.“