Porträt: Udo Jürgens - „Das Alter ist ein Massaker“
Mit 66 Jahren war noch lange nicht Schluss. Nun wird Udo Jürgens 75 und denkt immer noch nicht ans Aufhören.
Düsseldorf. Die Sahne überlässt er lieber anderen, das Kuchen-Buffet im Steigenberger Parkhotel lässt Udo Jürgens kalt, ein Glas Wasser ohne Kohlensäure bringt den großen alten Mann des deutschen Entertainments in Plauderlaune. 75 Jahre alt wird er am 30. September.
"Obwohl mein biologisches Alter erst 52 Jahre ist. Das habe ich testen lassen", verrät er, fügt aber hinzu: "Ich danke meinem Schicksal, dass ich diesen Tag heute noch so erleben kann."
Ans Aufhören denkt er noch lange nicht, bereitet gerade die Fortsetzung seiner "Einfach ich"-Tournee vor. "Ich denke selbst manchmal darüber nach, ob mir das peinlich ist, noch auf der Bühne zu stehen", schildert Jürgens seine Gedanken, "aber was ist die Alternative? Liegestuhl und auf Krankheiten warten."
Außerdem sei er viel zu gern Musiker: "Ich würde aufhören, wenn mir das Publikum an der Kasse die rote Karte zeigt oder wenn meine Stimme nachlässt. Ich kenne außerdem nur unglückliche Rentner." Und zitiert Philipp Roth, einen seiner Lieblings-Schriftsteller: "Alter ist kein Problem. Es ist ein Massaker."
Um fit zu bleiben, muss sich Jürgens nicht quälen: "Ich schwimme jeden Tag 400 Meter und fahre sechs Kilometer Rad auf dem Hometrainer. Sportlich war ich nie. Ich esse auch alles, habe jedoch gelernt, mir die Mengen einzuteilen."
Das Klavierspielen hatte sich Udo Jürgen Bockelmann, wie er eigentlich heißt, selbst beigebracht: "Schon mit zwölf Jahren habe ich die ersten Stücke komponiert. Ich wollte schon immer Songschreiber werden." Dass er selbst auf der Bühne steht, war reiner Zufall: "Damals musste man den Verlagen die Kompositionen noch selbst vorspielen. Und irgendwann sagte ein Produzent dann, dass ich das unbedingt selbst machen muss." Das war der Anfang.
Bei seinen Texten wurde er schon früh von Jacques Bre oder Gilbert Bécaud inspiriert: "In Deutschland gab es damals nur Seemanns-, Cowboy- oder Italien-Lieder. In den Texten der französischen Chansonniers kamen schon Worte wie Rechtsanwalt oder Hinterhof vor. Die waren damals bei den Texten viel weiter."
Das ersparte ihm, mit seichten Schlagerbarden in einen Topf geworfen zu werden. Auf seine ganz persönliche Art griff er gesellschaftliche Probleme an: "Mein älterer Bruder ist mal angezeigt worden, weil er als 20-Jähriger mit seiner Freundin in einer Wohnung übernachtet hatte. Das war damals so." Daraus entstand "Ein ehrenwertes Haus".
Manchmal wurde der Komponist auch missverstanden: "Griechischer Wein ist ein Lied mit einem sehr ernsten Text. Es geht um Gastarbeiter, die ihre Kinder noch nie gesehen und Heimweh haben." Was viele nicht wissen: Auch international gehört Jürgens zu den erfolgreichsten Songschreibern.
Für Shirley Bassey komponierte er 1960 den Welthit "Reach for the Stars". Sammy Davis jr. beendete seine Show regelmäßig mit dem Titel "If I never sing another Song" - ebenfalls aus der Feder des Österreichers mit deutschen Wurzeln.
Das ZDF ehrt den Entertainer am 30. September mit einer großen Show, die aber bereits zwei Wochen vorher aufgezeichnet wird. Den Geburtstag selbst feiert er mit engsten Freunden und seiner Familie an einem "geheimen Ort".