Tag 1 in Düsseldorf Referendum: Ein Stempel für die Zukunft der Türkei

Schon am ersten Tag der Abstimmung in Düsseldorf wird deutlich: Die heftige Diskussion über das Referendum hat die Wähler mobilisiert.

Foto: Judith Michaelis

Düsseldorf. Als Horst Amede um kurz vor neun am türkischen Konsulat in Düsseldorf-Heerdt eintrifft, ist der Parkplatz schon voll besetzt. „Das ist hier ein Kommen und Gehen“, sagt der Mitarbeiter der Bochumer Sicherheitsfirma Cana Security. „Ich habe schon viele Autofahrer zum Parkplatz am Cinestar-Kino geschickt. Aber dort wird jetzt auch kontrolliert.“ Es ist Tag eins der Abstimmung über die türkische Verfassungsreform und eines ist jetzt schon sicher: Die heftigen Diskussionen der vergangenen Wochen hatten einen mobilisierenden Effekt. Aber zu wessen Gunsten?

Öner Aktas glaubt: „Am Ende werden einige Prozent mehr mit Ja gestimmt haben.“ Wie der 46-Jährige selbst. Er steht vor einem angemieteten VW-Bus mit neun Sitzplätzen und lädt die Fahrgäste wieder ein, die er aus Dinslaken zum Wahllokal transportiert hat. Ein paar Mal will er noch fahren — nach eigenen Angaben eine reine Privatinitiative. Aber engagiert ist Aktas in der Union Europäisch-Türkischer Demokraten (UETD), einer Interessenvertretung der türkischen Regierungspartei AKP. Und für ihn ist klar: Er fährt nur Türken, von denen er weiß, dass sie mit Ja stimmen wollen.

Huseyin G. hätte er nicht mitgenommen. Der Journalist (48) will seinen Nachnamen lieber nur abgekürzt in der Zeitung lesen. Am Wochenende hat der bekennende Sozialdemokrat in der Duisburger Fußgängerzone noch für Neinstimmen geworben. Dabei habe er viel Unterstützung erfahren. Seine Prognose: eine Mehrheit gegen die Verfassungspläne, „wenn nicht manipuliert wird“. Präsident Erdogan habe viel bewegt. „Aber jetzt ist die Türkei auf dem Weg zum Ein-Mann-Regime.“

Nach Konsulatsangaben sind im Zuständigkeitsbereich des Düsseldorfer Konsulats (von Mönchengladbach über Neuss und Solingen bis nach Wuppertal) 136 000 Wahlberechtigte registriert. Aber seine Stimme darf hier jeder abgeben, der wahlberechtigt ist. Auch Türken mit Wohnort in den Niederlanden reisen an, wenn der Weg nach Düsseldorf für sie der kürzeste ist.

Am Ende des Wahllokals im Inneren des Konsulats ist eine wandgroße türkische Flagge mit dem Beamer an die Wand projiziert. An acht Tischreihen sitzen jeweils fünf Wahlhelfer für die Stimmabgabe: zwei Beamte und je ein Parteienvertreter der AKP, der nationalistischen MHP und der sozialdemokratischen CHP. Und sie haben viel zu tun: Nach gut zwei Stunden haben schon 650 Türken gewählt.

Der zweifarbige Stimmzettel enthält nur zwei Wörter: „Evet“ (Ja) auf der weißen Hälfte, „Hayir“ (Nein) auf der braunen. Bevor der Zettel im grünen Umschlag verschlossen wird, muss jeder Wähler in der Kabine mit einem Stempel das Wort „Tercih“ (Meine Meinung) auf der Hälfte seiner Wahl hinterlassen. Nach Konsulatsangaben werden die Wahlurnen jeden Abend im Kassenraum eingeschlossen. Anfang der ersten Osterferienwoche sollen die gesammelten Stimmen der vier NRW-Konsulate von Köln zur Auszählung nach Ankara geflogen werden.

Die Frage von Ja oder Nein hat die Türken nicht nur in Deutschland gespalten. Aber bei der Stimmabgabe stehen sie nebeneinander — und das zum Auftakt friedlich. Weder Polizei noch private Sicherheitskräfte müssen am ersten Morgen einschreiten. Vielleicht, weil es auf beiden Seiten mehr Besonnene gibt, als die aufgeheizte Diskussion vermuten ließ.

Fevzi Doygun und seine Frau Hacer (49) aus Neuss haben gerade mit Ja gestimmt. Der 52-Jährige ist überzeugt, damit eine positive Zukunft der Türkei unterstützt zu haben. „Eigentlich finde ich Koalitionen gut. Aber die Türkei ist noch nicht reif dafür.“ Daher solle die Macht besser in der Hand des Präsidenten liegen. „Die Nein-Sager werden in zehn Jahren Danke sagen.“ An eine Spaltung der Türken glaubt er nicht. „Ich respektiere alle Meinungen. Und Extremisten gibt es überall.“

Auch Ömer Güleryüz geht Konflikten aus dem Weg. Wenn er merkt, einen der anderen Seite vor sich zu haben, „halte ich meine Schnauze“. Aber das deutsch-türkische Verhältnis sei durch die Diskussionen beschädigt worden, bedauert der freiberufliche Fotograf aus Haan. „Entweder man ist für Erdogan oder man ist Terrorist.“ Güleryüz hat vor dem Referendum den deutschen Medien vertraut. „Ich habe mich nur zu zehn Prozent aus türkischen Medien informiert.“ Also ein Kritiker der Reformpläne? Er grinst: „Ich hasse Erdogan.“