Ring-Rocker trotzen der Kälte
festival Rempeleien, Matsch, Lärm und hochkarätige Bands: 80000 Rocker tobten am Nürburgring.
Nürburg. Es ist kalt. So kalt, dass die Atemluft Wölkchen bildet. Wer bei diesen Temperaturen im Zelt schläft, muss mehrere Schichten Kleidung übereinander anziehen. Agnieszka Stoklosa weiß das: Sie ist das sechste Mal bei Rock am Ring. Zusammen mit ihren Freunden hat sie sich für ein paar Tage in einer der riesigen Zeltstädte eingerichtet, die jedes Jahr beim größten Rockfestival Deutschlands rund um den Nürburgring entstehen.
Dort ist um vier Uhr morgens an Schlaf nicht zu denken. Die Isomatte lässt einen jeden Knochen am Körper spüren. Die letzten Rocker kommen gerade von den Konzerten zurück, und drehen die Musik jetzt erst einmal richtig laut. Der Bass lässt die Zeltwände vibrieren.
Erst in der Dämmerung wird es langsam ruhiger auf dem Campingplatz. Jetzt hört man nur noch einen Generator irgendwo rattern und den Dauerregen auf die Zeltplane trommeln. Dann plötzlich ein Höllenlärm - ein notwendiger: das Reinigungsfahrzeug leert die Dixie-Klos. "Manchmal frage ich mich, warum ich mir das freiwillig antue", sagt Agnieszka. Sie sagt es mit ironischem Unterton, denn sie weiß ganz genau, warum.
Noch vor wenigen Stunden stand sie mitten in der Masse von 80000 Festivalbesuchern. Die Stimmung ist ausgelassen. Papa Roach heizt den Zuschauern auf der Nebenbühne ein. Der Sound ist schlecht, die Stimmung gut. Auf der Hauptbühne präsentieren Placebo - in einwandfreier Akustik - ihre neuen Songs, von einer CD, die erst am nächsten Tag herauskommt. Die Fans sind begeistert, und auch die untergehende Sonne leistet ihren Beitrag, indem sie den passenden Rahmen für diese schönen Stunden bildet. "Es sind ja nicht nur die Konzerte. Vor allem die tolle Atmosphäre macht Rock am Ring aus", fasst Agnieszka zusammen.
Auch nach einer Nacht mit wenig Schlaf und viel Regen ist die Stimmung weiter gut. Die Freunde treffen sich erst einmal zum Frühstück im Zelt-Pavillon. Die Grillkohle wärmt, und dass der Dauerregen hier und da durchdringt, stört niemanden. Die einen haben Bockwurst mit Dosenbier zum Frühstück, andere Erdbeerquark und Kaffee.
Die noch etwas trägen Rocker sammeln ihre Energie für die Konzerte. Da toben sie sich aus: Sobald The Prodigy - für viele der Höhepunkt des Abends - die Bühne betreten, rocken und tanzen zehntausende Fans. Sie rempeln sich wüst an, schreien, springen, lassen sich in die Menge fallen. Die Stimme von Sänger Keith Flin lässt fast die Ohrstöpsel aus den Schädeln sausen. "Letztes Jahr war es lauter", findet einer der Zuschauer. Für das Trommelfell etwas schonender spielen Reamon auf der anderen großen Bühne, auf der später abends Jan Delay sein Publikum die Kälte wegtanzen lässt.
Bei Vollmond pilgern Agnieszka und ihre Freunde mit den Massen schließlich den langen Weg zu den Zelten zurück: erschöpft, mit Blasen an den Füßen. Eine weitere kalte, laute Nacht liegt vor ihnen. Und dennoch, für die meisten steht fest: "Nächstes Jahr sind wir wieder dabei."