Selig: „Wir sind alle Rampensäue“
Rock Ende der 90er zerbrach die Band Selig am Erfolgsdruck. Vor zwei Jahren gelang den Hamburger Musikern das Comeback.
Hamburg. Sie haben sich in das kollektive Gedächtnis der deutschen Grunge-Generation eingebrannt. Doch das, was Anfang der 90er Jahre in einer Hamburger Kneipe begann, wurde für die fünf Musiker schnell zum Horrortrip. Anfangs noch hochgelobt, wurden die Kritiken immer durchmischter.
Ende der 90er zerbrach die Formation um Frontmann Jan Plewka am Erfolgsdruck und trennte sich. "In unserer ersten Phase gab es nur Selig, die Band hat 100 Prozent unseres Lebens ausgefüllt. Das konnte irgendwann nicht mehr gut gehen. Wir konnten weder mit dem Erfolg, noch mit dem Misserfolg umgehen", erinnert sich Schlagzeuger Stephan "Stoffel" Eggert.
Heute sind die jungen Künstler von damals alle Familienväter und haben in Einzelprojekten wie TempEau oder Zinoba Erfahrung gesammelt. Geblieben ist die Freundschaft, die vor zwei Jahren zum Comeback geführt hat.
"Es ist nicht leicht, fünf Gleichgesinnte zu finden, die sich gegenseitig so beglücken, wie wir das tun. Jetzt hat aber jeder sein eigenes Leben und seine Familie, die ihm Kraft gibt", ist sich Eggert sicher, dass der aktuelle Albumtitel "Von Ewigkeit zu Ewigkeit" nun auch für Selig gilt.
Angst vor dem Medienrummel hat Eggert heute nicht mehr: "Wir sind alle Rampensäue und können nach den zehn Jahren Pause gut damit umgehen." Dazu zählt auch die Verleihung der Eins-Live-Krone morgen Abend in Bochum, wo Selig für die Kategorie "Beste Band" nominiert ist. Die Familie spielt für die Musiker inzwischen eine große Rolle: "Früher haben wir nur über die Band und unsere Liebesabenteuer geredet. Heute diskutiert man über Erziehung oder Schulaufgaben und muss die Auftritte mit den Ferien der Kinder abstimmen."
Anders als viele Kollegen verzichten Selig darauf, mit dem schicken Nightliner zu den Konzerten zu fahren. "Wir sind meistens im Zug unterwegs und übernachten in Hotels. Es ist gut, wenn jeder seine Zimmertür hinter sich abschließen kann. Das schützt vor Überdruss und verbessert das Bandklima", berichtet Eggert. Anders als früher kennt er nun das Gefühl von Heimweh, wenn die Tour einmal länger dauert.
Musikalisch hat sich bei Selig nur wenig verändert. "Wir haben da einfach den Faden wieder aufgenommen und konnten problemlos an unsere Arbeit in den 90ern anknüpfen. Wenn wir gemeinsam Musik machen, haben wir noch das gleiche Gefühl wie damals", sagt Eggert.
Nach ihrem Comeback brachte die Band in kurzer Folge zwei Alben heraus. Nun will man sich etwas mehr Zeit lassen. "Wir wollen die Leute nicht überfordern, indem wir im Jahresrhythmus neue CDs produzieren."