"Spiegel": Missbrauchsopfer von Amstetten entlastet ihre Mutter

Ihre Mutter habe nichts gewusst, sagte die 24 Jahre lang in einem Kellerverlies ihres Elternhauses eingesperrte Elisabeth Fritzl

Hamburg/Wien. Die 24 Jahre lang in einem Kellerverlies ihres Elternhauses im österreichischen Amstetten eingesperrte Elisabeth Fritzl hat nach "Spiegel"-Informationen ihre Mutter Rosemarie ausdrücklich entlastet.

In den Jahren ihrer Gefangenschaft sei sie ausschließlich von ihrem Vater versorgt worden, sagte die 42-Jährige laut "Spiegel" gegenüber der Polizei aus.

Ihre Mutter habe nichts gewusst. Dem Bericht zufolge hat Josef Fritzl seine Tochter offenbar in den ersten Jahren ihrer Gefangenschaft vor den Augen ihrer Kinder vergewaltigt.

Bundeskanzler Alfred Gusenbauer warnte die internationalen Medien davor, ganz Österreich und seine Bewohner zu verurteilen. Wie der "Spiegel" aus der Polizeivernehmung weiter zitierte, bestand Elisabeths Kellerverlies in den ersten neun Jahren aus einem einzigen Raum. Erst 1993 habe ihr Vater einen weiteren Raum eingerichtet.

Davor wurden offenbar auch die bis dahin im Keller geborenen drei Kinder zu Zeugen der immer wiederkehrenden Vergewaltigungen. Im Gegensatz zu den Aussagen des inzwischen 73-Jährigen berichtete Elisabeth laut "Spiegel" weiter, ihr Vater habe sie zunächst zwei Tage lang mit Handschellen an einen Pfosten gefesselt und dann bis zu neun Monate angeleint.

Offenbar gab es viel mehr Zeugen von den Vorgängen in Elisabeths Elternhaus als zunächst angenommen. Ein ehemaliger Mieter in dem Mehrfamilienhaus sagte nach Angaben der Nachrichtenagentur APA dem österreichischen Fernsehsender ATV, Elisabeth sei vor ihrer Einkerkerung mit einer Jugendfreundin nach Wien geflüchtet, jedoch wieder zurückgebracht worden.

Die Freundin und Nachbarin habe ihm von den Vergewaltigungen berichtet. Demnach hätten die beiden Frauen damals aber der Polizei aus Angst vor F. nichts gesagt. Angesichts des furchtbaren Verbrechens startete die Stadt Amstetten laut APA eine Initiative.

Nach Angaben von Bürgermeister Herbert Katzengruber wurden 35 Meter lange Transparente an verschiedenen Standorten aufgestellt, auf denen die Einwohner "ihre oft sehr beklemmenden Gefühle in Form von Worten, Zeichnungen, Unterschriften usw. zum Ausdruck bringen" können.

Am Mittwoch sollen die Spruchbänder unter dem Motto "Wir gestalten Zuversicht" auf dem Hauptplatz entrollt werden. "Die Ereignisse der vergangenen Tage haben uns alle sprachlos gemacht. Amstetten, eine blühende Stadt in einer wunderschönen Region in Österreich, wurde von einer unfassbaren Tat eines einzelnen Menschen erschüttert", erklärte der Bürgermeister.

Bundeskanzler Gusenbauer wandte sich in der "Bild"-Zeitung gegen Tendenzen zur Verallgemeinerung. "Es gibt keinen Fall Amstetten, keinen Fall Österreich, sondern ein grausliches Gewaltverbrechen", sagte der SPÖ-Chef dem Blatt. Sein Land wehre sich dagegen, dass von "einigen ausländischen Medien" versucht werde, aus "diesem entsetzlichen Verbrechen etwas 'spezifisch Österreichisches' zu konstruieren".

Die Diskussion um die strafrechtlichen Konsequenzen aus dem Verbrechen dauerte an. Der Vorsitzende der rechtspopulistischen Oppositionspartei Bündnis Zukunft Österreich (BZÖ), Peter Westenthaler, forderte in der Tageszeitung "Österreich" eine Zwangssterilisierung von Sexualstraftätern.

Auch der Justizsprecher des konservativen Koalitionspartners ÖVP, Heribert Donnerbauer, sprach sich dafür aus, die zwangsweise Einnahme triebunterdrückender Medikamente im Strafrecht zu verankern.

Die sozialdemokratische Justizministerin Maria Berger lehnt bisher eine Verschärfung der Strafgesetze ab, befürwortet aber längere Verjährungsfristen für Sexualstraftaten.