Stalking: Tag und Nacht verfolgt

Vor allem Frauen werden zu Opfern von Dauer-Belästigung. Den Tätern droht Haftstrafe, aber die Beweislage ist oft schwierig.

Düsseldorf. Es war eine kurze Beziehung mit einem langen leidvollen Nachspiel. Als Anne Busch (Name geändert) nach sechs Monaten ihren Freund verließ, ahnte sie nicht, was ihr noch bevorsteht.

Der Verlassene suchte weiter den Kontakt, rief immer öfter an und ließ ihr schließlich kaum noch Luft zum Atmen. "Anfangs fühlt man sich geschmeichelt, wenn jemand noch was von einem will", sagt die junge Lehrerin.

Doch die ständige Belästigung - tags wie nachts - zehrte an ihren Nerven. Die 32-Jährige wurde depressiv, begann Medikamente zu nehmen, und die Wut brannte in ihr.

Anne Busch ist das Opfer eines Stalkers geworden. "Dieses beharrliche Verfolgen ist ein sehr verbreitetes Phänomen geworden", berichtet Prof. Hans-Georg Voss vom Institut für Psychologie der Technischen Universität Darmstadt. "Das permanente Wiederholen macht das Stalking zur Bedrohung."

Der Täter könne es meist nicht ertragen, zurückgewiesen zu werden. "Das widerspricht seinem Selbstbild." Meist stecken narzisstische Störungen oder eine übertriebene Selbstliebe dahinter, meint der Psychologe. "Unsere heutige Gesellschaft ist sehr individualisiert und egozentrisch." Die Selbstverliebtheit sei ein Ausdruck davon.

Seit knapp zweieinhalb Jahren steht Stalking unter Strafe. Der Gesetzgeber sieht eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren vor, wenn beharrliches Nachstellen die "Lebensgestaltung des Opfers schwerwiegend beeinträchtigt".

Allein in Nordrhein-Westfalen haben die Staatsanwaltschaften in den Jahren 2007 und 2008 in rund 14 000 Fällen ermittelt, 55 Täter mussten nach Angaben des NRW-Justizministeriums ins Gefängnis. Mehr als jedes vierte Verfahren wurde aber auch eingestellt, weil es an handfesten Beweisen mangelt. "Ich empfehle immer, eine Liste zu machen", sagt der ehrenamtliche Opferbetreuer Alexander Tietze.

Der 71 Jahre alte Rentner arbeitet seit fünf Jahren bei der Opferhilfe Weißer Ring. "Alle künftigen Vergehen, aber auch die aus der Vergangenheit müssen genau notiert werden." Die Aussage vor Gericht werde so authentischer, begründet Tietze. Um die Taten ihres Peinigers zu belegen, sollten Stalking-Opfer E-Mails oder SMS-Nachrichten speichern, Telefonate aufzeichnen und auch fotografieren, wenn beispielsweise das Auto des Verfolgers wieder vor der Tür steht.

Für einen Prozess hatte Anne Busch genug Beweise. Viele der unzähligen Anrufe hat sie auf Band. Auch eine Freundin konnte die dauernden Belästigungen bezeugen. Aber jüngst zur Verhandlung an einem Gericht in Berlin traute sie sich plötzlich nicht mehr. Aber das ließ Betreuer Tietze nicht durchgehen.

Er überredete die junge Lehrerin schließlich dazu, dem Psycho-Terror nach anderthalb Jahren endlich ein Ende zu setzen - zu ihrem Glück. Der Richter verurteilte den Ex-Freund zu einer saftigen Geldstrafe. "Ich bin froh und habe mein Leben wieder", ist Anne Busch erleichtert. "Er" habe jetzt schlechte Karten. Noch einmal könne er sich das nicht erlauben.