Ulrich Wickert: "Staat erzieht besser als die Eltern”

Erziehungsdebatte: Ulrich Wickert kritisiert den Werteverfall und fordert eine frühere staatliche Einmischung in die Bildung.

<strong>Düsseldorf. "Die Eltern sind das erste Problem, die Lehrer das zweite.” So hat sich Ulrich Wickert in die aktuelle Debatte um Kinderbetreuung eingemischt. Der ehemalige Tagesthemen-Moderator spitzte seine Thesen zum Werteverfall in der Erziehung in einem Interview mit der "Bild am Sonntag” zu: "Ich bin überzeugt davon, dass der Staat Kinder besser erziehen kann, als es die Eltern können.”
Es ich nicht das erste Mal, dass sich Wickert in eine gesellschaftliche Debatte einmischt. Der 64-jährige Journalist, der von 1991 bis 2006 den Tagesthemen ein Gesicht gab, moderiert zurzeit eine monatliche Literatursendung. Und er schreibt. In wenigen Tagen erscheint sein Buch "Gauner muss man Gauner nennen. Von der Sehnsucht nach verlässlichen Werten”.
Titel und Thesen erinnern an seine anderen Bücher, angefangen mit dem 1995 erschienenen "Der Ehrliche ist der Dumme”. Damals wie heute beklagt Wickert den Werteverfall und mahnt mehr Moral an. Nur kann er sich seine Gesellschaftskritik jetzt frei von der Seele schreiben ­ ohne die frühere Bindung an die ARD.
Im Interview forderte er, Ganztagsschulen und Ganztagskindergärten verpflichtend einzuführen. Deutschland solle sich am französischen Bildungssystem orientieren, in dem der Staat schon früh die Erziehung übernimmt. Der Grund: "Denken wir doch nur daran, mit welchen Problemen heute Kinder in die Schule kommen”, sagt Wickert.
"Im Affekt ist mir auch einmal
die Hand ausgerutscht”

Bürgerliche Eltern glaubten zwar, sie könnten ihre Kinder besser erziehen als der Staat, doch das sei nur ein kleiner Teil der Bevölkerung, argumentiert der 64-Jährige. Den Rundumschlag gegen Bildungssystem und Eltern garnierte der in dritter Ehe verheiratete Wickert mit einem Geständnis. Er habe seine aus erster Ehe stammende Tochter einmal geschlagen: "Im Affekt ist mir auch einmal die Hand ausgerutscht. Ich telefonierte und sie ­ sechs oder sieben Jahre alt ­ schlug mir die ganze Zeit aufs Bein, hörte auch trotz meines Schimpfens nicht auf.” Er sei aber gegen jede körperliche Gewalt in der Erziehung.
Ulrich Wickert hatte für die ARD viele Jahre aus Paris und Washington berichtet. Die Außensicht nutzt er jetzt für eine Kritik an fehlender Höflichkeit. In den USA würde man in einem Geschäft freundlich begrüßt, in Deutschland eher skeptisch angeschaut, sagte er und rundete seinen Rundumschlag mit einer Kritik an den Lehrern ab: "Deutsche Lehrer wissen ja kaum noch, wie sie sich Respekt verschaffen sollen.”
Kommentar: Wickert wirkt wie Herman Das Muster erinnert an Eva Herman: Bekannter TV-Journalist schreibt Buch mit radikalen Thesen. Und wie Herman werden wir Wickert bald im Fernsehen wiedersehen. Denn wer Eltern die Fähigkeit zur Erziehung abspricht, dem sind Einladungen zu Talkshows sicher. Dabei schüttet Wickert das Kind mit dem Bade aus. Es stimmt zwar, dass viele Eltern überfordert sind. Doch ihnen das Recht auf Erziehung abzusprechen, heißt auch, sie aus der Pflicht zu entlassen. Die Pläne der Bundesregierung sind besser: Sie will Wahlfreiheit zwischen Krippe und Elternhaus.

Wickerts Werte

Alte Bücher 1994 veröffentlichte Wickert "Der Ehrliche ist der Dumme: Über den Verlust der Werte". Ein Jahr später erschien "Das Buch der Tugenden".

Neues Buch Am 16. März kommt "Gauner muss man Gauner nennen. Von der Sehnsucht nach verlässlichen Werten" auf den Markt.