RAG-Chef Werner Müller: Der König des Ruhrgebiets?

<b>Porträt: RAG-Chef Werner Müller will die neue Kohlestiftung leiten und damit seine Laufbahn krönen. Doch derzeit hat der Ex-Wirtschaftsminister wenige Freunde.

<strong>Düsseldorf. Es sind jetzt die entscheidenden Tage in der Karriere des Werner Müller: Wird er, der jetzt noch den Essener RAG-Konzern führt, Chef der neuen Kohlestiftung und damit mächtigster Wirtschaftslenker im Ruhrgebiet? Oder wird er auf der Zielgeraden abgefangen, ausgebremst ausgerechnet von der Politik, deren Unwägbarkeiten er sich längst entwachsen fühlte? Die Sache ist nicht entschieden, die Chancen stehen fifty-fifty, wenn man es gut mit Müller meint.

Ein Unikat in der politischen Szene der Republik

Bei Werner Müller kann man getrost von einem Unikat in der politischen und wirtschaftlichen Szene der Republik sprechen. Er gehört keiner Partei an und hatte dennoch Spitzenämter inne. Er wirkt im persönlichen Gespräch äußerst angenehm, plaudert gerne bei Rotwein und Zigarillo, trägt auch bei warmem Wetter den Dreiteiler mit kühler Gelassenheit und vermittelt Stilsicherheit. Gleichzeitig wohnt er immer noch in einem Mülheimer Reihenhaus, vermeidet jene großsprecherischen Posen, die so viele Politiker, aber auch Manager - man denke nur an Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann - so in Misskredit gebracht haben. Doch Müller kann in der Sache knallhart sein. Jetzt aber ist er von anderen abhängig - eine Situation, die er hasst.

Nach langem Poker scheint das Ziel in greifbarer Nähe

Dabei schien er endlich am Ziel zu sein. Nach jahrelanger Vorbereitung und monatelangem Poker hat er erreicht, dass die RAG endlich an die Börse darf. Politiker aus Bund und Land folgten dabei seinem Modell: Der so genannte weiße Bereich, also die profitablen Zweige Degussa (Chemie), Steag (Kraftwerk) und die Immobiliengesellschaft wird als Paket an die Börse gebracht, aus dem milliardenschweren Erlös wird die Kohlestiftung gespeist, die den Ausstieg aus der Steinkohleförderung voraussichtlich bis 2018 abwickeln soll. Diese Stiftung wird in ihrer Machtposition durchaus mit der Krupp-Stiftung mit Bertold Beitz vergleichbar sein. Wer Chef ist, kann sich als "König des Ruhrgebiets" fühlen. Das ist alles in trockenen Tüchern. Doch was auf dem Weg bis dahin passiert ist, kannte Müller selbst aus seiner Zeit am Kabinettstisch von Kanzler Schröder (SPD) nicht, an dem er von 1998 bis 2002 als Wirtschaftsminister saß. Diesen Job hatte er als Parteiloser durchaus überraschend und nur deshalb bekommen, weil der ursprüngliche Kandidat Jost Stollmann nicht schussfest für die harten Regeln der Politik war, Schröder aber einen Manager wollte. Müller hatte bis dahin eine Karriere in der Energiebranche vorzuweisen, war in leitenden Positionen bei den NRW-Multis RWE und Veba tätig. Den Job in Berlin machte er gut und organisierte den Beschluss zum Atom-Ausstieg.

Zeitweise hatte der RAG-Chef den Überblick verloren

Beim Kohleausstieg jedoch wurde mit noch härteren Bandagen gekämpft. Land gegen Bund, Rüttgers gegen Merkel, Gewerkschaft und SPD gegen fast alle - und mittendrin Müller, der zeitweise seine Felle davonschwimmen sah und den Überblick verlor. Mal war er für, mal gegen den schnellen Kohleausstieg, mal musste die RAG möglichst schnell an die Börse, am Ende spielte der Zeitpunkt keine Rolle mehr. Das hat seine Freunde bei der SPD und den Gewerkschaften nachhaltig irritiert. Dabei könnte er die jetzt gut brauchen, geht es doch darum, ob er Stiftungschef wird oder nicht. Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) zählt nicht zum Müller-Fanclub. Er hat nicht vergessen, dass Müller vor der letzten Landtagswahl gegen ihn Stimmung machte. Undementiert sind Meldungen, Rüttgers wolle Müller nicht. Dabei spielt der Staatskanzlei auch in die Karten, dass Müller via "Spiegel" ein Millionengehalt für sich einforderte. So etwas kommt gar nicht gut an. Derzeit laufen die Telefone heiß, Müller wirbt um Verbündete. Es geht um die Krönung seiner Karriere. Rag-Konzern

Gründung: Der RAG-Konzern ist 1969 als Ruhrkohle-AG entstanden und war das Auffangbecken der Zechen.

Mischkonzern: Mittlerweile ist aus dem Unternehmen ein Mischkonzern geworden. Man unterscheidet zwischen dem "weißen" Bereich Steag (Energie), Degussa (Chemie) und RAG-Immobilien sowie dem "schwarzen" Bereich, der Steinkohle (DSK).

Aktionäre: Eon, Thyssen-Krupp und RWE. Die RAG ist noch nicht börsennotiert.

Beschäftigte: Mehr als 100 000 Mitarbeiter, darunter gut 33 000 Kumpel.