Grand Prix: Monrose singen als Favoritinnen
Am Donnerstag wird der deutsche Vertreter für den Eurovision Song Contest in Helsinki gewählt.
Hamburg. Er hat es eigentlich nicht anders verdient. Da sitzt Heinz-Rudolf Kunze am Montagabend bei Reinhold Beckmann zwischen dem swingenden Männerversteher Roger Cicero und den Casting-Girlies von Monrose, um den deutschen Vorentscheid zum Eurovision Song Contest zu bewerben. Kunze wirkt hier wie ein linkischer Soziologiestudent unter sonnengebräunten H&M-Models.
Zu sagen hat er nicht viel. Denn Kunze ist hier nur Beiwerk, ein Feigenblatt im verkrampften Unterfangen des federführenden NDR, die viel beschworene musikalische Bandbreite im nationalen Sangeswettstreit zu gewährleisten. Denn der wurde nach dem Gracia-Desaster 2005 (24. und letzter Platz) von zehn auf nur noch drei Bewerber heruntergekürzt. Quasi der kleinste gemeinsame Nenner, den NDR-Unterhaltungschef Jan Schulte-Kellinghaus sich noch leisten will.
Warum tut Kunze sich das an - er, der selbst ernannte Dichter und Denker mit Namen wie Kästner, Tucholsky und Dylan im Vorbild-Portfolio. Sein Album "Klare Verhältnisse", veröffentlicht vor etwas mehr als einem Monat, liegt auf jeden Fall eher als Dekoration denn als Verkaufsschlager in den Plattenregalen. Wollte da einer noch mal ein Bad in der Menge nehmen, der seit geraumer Zeit nur noch im Bewusstsein der aus den 80er Jahren übriggebliebenen Fans existiert?
Die anderen beiden Teilnehmer können sich über mangelndes Medieninteresse derzeit nicht beklagen. Monrose verkauften nach ihrer Casting-Genese im November 2006 innerhalb von drei Monaten 600 000 Tonträger, Roger Cicero, der Sohn von Jazz-Pianist Eugen Cicero, gehört mit seinem Al- bum "Männersachen" zu den erfolgreichsten Plattenkünstlern des vergangenen Jahres.
Mut zu Neuem wagen beide Acts nicht. "Even Heaven Cries", die Single, die Monrose bereits in der Finalshow von "Popstars" sangen, ist uninspirierter Pop, der nicht jene Ohrwurm-Qualitäten hat, die für einen Grand-Prix-Song eigentlich unabdingbar sind. Und Roger Cicero ist mit der biederen Post-Feminismus-Nummer "Frauen regier’n die Welt" formal zwar souverän, klingt aber nur wie ein Double von Robbie Williams in seiner Swingphase vor vier Jahren.
Kunze hat sich immerhin das Motto des Abends zu eigen gemacht: "Die Welt ist Pop" singt er und spielt damit auf die weichgespülte Beliebigkeit unseres Nach-WM-Daseins an. Der Song an sich ist belangloser Singsang, seine Stimme ist immer noch geprägt von dieser akzentuierten Mitteilsamkeit, die nach Nicaragua-Kaffee und Anti-Atomkraft-Aufklebern klingt.
Dem eigentlichen Pop dieser Veranstaltung, der Girlpower aus der Retorte, wird er sich Donnerstag wohl geschlagen geben müssen. Denn gegen die mit Prepaid-Handys be- waffneten Teenie-Bataillone, die schon für Monrose zum Angriff geblasen haben, dürfte Kunze wenig ausrichten. Genauso wie Cicero, dessen mittelalte Fans aus der Mittelschicht sich kaum für eine preisintensive Abstimmungs-Hotline erwärmen werden. Die Mädchenband wird allerdings in Finnland auch optisch nicht weiter auffallen.
TV-Übertragung: Die ARD überträgt den Vorentscheid Donnerstag um 20.15 Uhr live. Der Grand-Prix-Experte Thomas Hermanns moderiert die Veranstaltung.
Konkurrenz: Für die Schweiz geht DJ Bobo (Foto) mit dem Song "Vampires are alive" ins Rennen. Die "Schweizerische Evangelische Allianz" hat sich bereits darüber beschwert.
Finale: Musiker aus 24 Ländern treten am 12. Mai in Helsinki an.