Vanity Fair: Heute lesen, was vorige Woche „in“ war

Magazin: Das neue Hochglanzblatt „Vanity Fair“ beeindruckt durch Mittelmäßigkeit.

Berlin. Es ist vielleicht noch nicht jedem aufgefallen. Aber U und E, die beiden Buchstaben, mit denen sich Bildungsbürger von Barbie, Bohlen und Bulimie abgrenzen wollen, haben Namen. Pop und Politik heißen die beiden Pole, die gleichzeitig bedient werden wollen. Will meinen: Alles, was die Intellektuellen seit den 60ern versuchten zu verdrängen, holt sie nun mit voller Wucht ein.

Ulf Poschardt, Chefredakteur des neuen Magazins "Vanity Fair", hat diesen Grundsatz verinnerlicht. Für die erste Ausgabe hat er sich den überflüssigsten Pop-Trend des vergangenen Jahres als roten Faden auserkoren: Die sinnfreie Vermarktung eines neuen deutschen Wir-Gefühls. Im Editorial spricht er von Aufschwung und Neurosenschwund, beschwört die Leistung der Nationalkicker und preist Deutschland als neue Erfolgsgeschichte.

Stimmt ja alles, irgendwie. Und irgendwie auch wieder nicht. Denn von neu entdeckt oder sensationell kann keine Rede sein. Deutschland ist seit 60 Jahren eine Erfolgsgeschichte. Dass Poschardt da nichts anderes eingefallen ist, zeugt von der Verkrampftheit, unbedingt etwas Besonderes auf den Markt schmeißen zu wollen.

Diese Gehemmtheit ist der eigentliche rote Faden des Heftes, das nun wöchentlich in einer Auflage von 120 000 Exmeplaren an den Kiosken liegt. In vier Bücher ist es unterteilt, Leute, Agenda, Kultur und Stil. Hätte man sich auch sparen können, natürlich geht es in erster Linie um Leute. Aber irgendwie um die falschen, denn über das hupfdohlige "Dreamgirls"-Ensemble, den kunstbeflissenen Filmemacher Til Schweiger und den möglichen ersten schwarzen Präsidentschaftskandidaten Barack Obama hat man in anderen Wochenmagazinen bereits alles gelesen, was zu sagen war. Und zwar vorige Woche!

Die erste deutsche Ausgabe des in den USA erfolgreichen Magazins "Vanity Fair" begnügt sich damit, Gewesenes prunkvoll aufzuwärmen. Dazu bedient es sich einer erstaunlich verkrampften Bildsprache. Offensichtlich ist Deutschland so erfolgreich, dass man die Schönen und Reichen nur ins Blatt kriegt, wenn man sie ringfingernagelgroß nebeneinander kleistert.

Das hat einen positiven Nebeneffekt: Ein Unterschied zwischen Iris Berben und Yvonne Catterfeld lässt sich nur mit der Lupe erahnen. Kulturkritik hinter dem Gemurkse zu vermuten, wäre aber doch zuviel. Vielleicht hat Poschardt auch nur ein Herz für die Gefallenen der Branche. Auf Seite 91 huldigt er Victoria Beckham, sagt ihr den Aufstieg in den Hollywood-Hochadel voraus. Offensichtlich lebt er in der Zeit, als Magervicky sich noch "Posh" nannte, was im Englischen "mondän" heißt. Für Anregungen ist Ulf Poschardt offen, im Editorial gibt er seine E-Mail-Adresse preis: posh@vanityfair.de. Das "c" hat er natürlich weggelassen. Vielleicht glaubt’s ihm ja jemand.