Welterbe Loreley in Gefahr
Noch ist der Streit um die Dresdner Brücke ungelöst, da droht schon der nächste Konflikt.
<strong>Koblenz. "Ich weiß nicht, was soll es bedeuten, dass ich so traurig bin", schrieb einst der junge Dichter Heinrich Heine über jenen sagenumwobenen Schieferfelsen zwischen Koblenz und Bingen. Bis heute ranken sich Mythen, Märchen und Sagen um die Loreley, doch bald schon soll das Tal zur Großbaustelle werden: Ausgerechnet an seiner engsten und schönsten Stelle, in Sichtweite des Loreley-Felsens und alter Burgen, will das Land Rheinland-Pfalz eine Brücke über den Rhein spannen. Der Internationale Rat für Denkmalpflege (IOCOMOS), der die UN-Kulturorganisation Unesco berät, zeigt sich ensetzt. "Die Loreley ist das Herz der Kulturlandschaft oberes Mittelrheintal", sagt IOCOMOS-Präsident Michael Petzet. "Da mit einer Brücke rüberzugehen, ist ein unmöglicher Gedanke." Sollten die Pläne verwirklicht werden, daran lässt Petzet keinen Zweifel, wäre der erst 2002 errungene Status des Welterbes verloren - und, schlimmer noch: das einmalige Landschaftsbild wäre zerstört.
Dabei galt das obere Mittelrheintal lange als unantastbar - wie das Elbtal, dem nun nach Baubeginn der Waldschlösschenbrücke voraussichtlich bald der Welterbe-Titel abgesprochen wird. Der Deutsche Kulturrat betont denn auch die Parallelen. Es gehe in beiden Fällen darum, "Brücken quer durch Weltkulturerbestätten" zu bauen, sagt Kulturrats-Chef Olaf Zimmermann.
Die heftigen Reaktionen der Denkmalschützer setzen das Land Rheinland-Pfalz unter Druck. Die Mainzer Staatskanzlei dreht und wendet sich, um nicht als Schänder der Romantik und Totengräber der Loreley in Verruf zu geraten. Man prüfe als Kompromiss einen Tunnel, heißt es plötzlich.
Doch eine unterirdische Verbindung erscheint vielen unrealistisch. Denn während die Brücke 40 Millionen Euro kosten soll, würde ein Tunnel mit 72Millionen Euro zu Buche schlagen. Außerdem kann ein Tunnel die Stimmung von ICOMOS-Präsident Petzet nicht aufhellen. "Die Zufahrten und die Verkehrsbelastungen sind problematisch", argumentiert Petzet.
Oberes Mittelrheintal Diese Landschaft hat das Bild Deutschlands geprägt und gilt als "Herz der Romantik". Der 132 Meter hohe Loreleyfelsen bei St. Goarshausen ist mythenumwoben und vielfach thematisiert in der Dichtung. Das Tal erstreckt sich von Bingen bis Koblenz und ist über 100Rheinkilometer brückenfrei.
Weltkulturerbe 2002 wurde das obere Mittelhreintal zum Weltkulturerbe gekürt. Das garantiert einen zunehmenden Touristenstrom, bringt aber auch Verpflichtungen mit sich - so muss sichergestellt werden, dass der Charakter der Landschaft erhalten bleibt.
Konflikte Die Unesco drohte in den vergangenen Jahren in Deutschland mehrfach mit dem Entzug von Welterbe-Titeln. So sollte der Kölner Dom wegen geplanter Hochhaus-Projekte seinen Titel verlieren. Die Pläne verschwanden in der Schublade. Anders in Dresden. Dort hat der Bau der Waldschlösschenbrücke begonnen. Folge: Im Sommer wird das Elbtal voraussichtlich von der Welterbe-Liste gestrichen.