Wenn Waffen zur Gefahr werden

Amoklauf: Der Vater von Tim K. kommt womöglich wegen fahrlässiger Tötung vor Gericht. Bieten mehr Kontrollen mehr Sicherheit?

Winnenden/Berlin. Nach dem Amoklauf von Winnenden wird eine Frage immer drängender: Kann der Vater des 17-jährigen Tim K. strafrechtlich für den Tod der Opfer verantwortlich gemacht werden - und zwar wegen fahrlässiger Tötung? Nach Angaben der Ermittler hatte der Sportschütze die Tatwaffe nicht im Tresor aufbewahrt, sondern im Schlafzimmer. Womit er zumindest eine Ordnungswidrigkeit begangen hat.

Ein Verfahren kommt in Frage, wenn es bei Tim K. eine offensichtliche "Amok-Neigung" gab und sein Vater die Waffe, trotz der ihm bekannten Gefahr, nicht gesichert hatte. Anders formuliert: Hätte der Vater vorhersehen können, dass der Sohn mit der Beretta in der Hand losgeht und Menschen niederschießt, hat er sich womöglich der fahrlässigen Tötung schuldig gemacht, auch wenn er am Tatgeschehen nicht unmittelbar beteiligt war.

Einen Präzedenzfall hat der Bundesgerichtshof (BGH) im Jahr 2003 entschieden. Eine psychiatrische Klinik hatte einem psychisch gestörten Gewaltverbrecher trotz erkennbarer Gewalttätigkeit Ausgang gewährt. Der Mann tauchte unter, beging eine Serie von Raubüberfällen und brachte zwei Frauen um. Chef- und Oberarzt wurden zunächst freigesprochen, doch der BGH hob die Freisprüche auf und hielt ein Urteil wegen fahrlässiger Tötung für ziemlich naheliegend: Eine Vorhersehbarkeit der Taten sei anzunehmen, wenn zwischen der "psychischen Störung und den Straftaten ein Zusammenhang besteht".

Dazu stehen widersprüchliche Aussagen im Raum. Die Behörden und ein Mediziner bestätigten dies, die Eltern des Todesschützen dementieren. Die Ermittler sprechen von mehreren Besuchen des 17- Jährigen in einer psychiatrischen Spezialklinik. Dagegen ließen die Eltern über ihren Anwalt erklären, ihr Sohn sei nicht psychotherapeutisch behandelt worden. Der Anwalt erwägt sogar rechtliche Schritte gegen den Leiter des Klinikums wegen Verletzung des Arztgeheimnisses. Der Hintergrund ist klar: War der Zustand des Jungen so labil, dass der Vater mit dem Griff zur Waffe rechnen musste, droht ihm eine Verurteilung. Eine wiederholte psychiatrische Behandlung von Tim K. wäre ein starkes Indiz.

Politiker von SPD und Grünen fordern eine Verschärfung des Waffenrechts, Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) warnt dagegen vor schnellen Gesetzesinitiativen. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) macht sich für verbesserte Kontrollen stark: Die Experten sollten überlegen, ob man durch unangemeldete Kontrollen die ordnungsgemäße Aufbewahrung von Waffen und Munition überprüfen könne.