Zoten aus dem Retteralltag
Seit zwölf Jahren fährt Jörg Nießen Einsätze im Rettungswagen – bei aller Dramatik gibt es dabei auch viel zu lachen.
Düsseldorf. Sie haben getan, was Sie konnten! Ein Satz aus dem Rhetorikbaukasten von Jörg Nießen. Der 37-Jährige ist Rettungsassistent und kann bei manchen Einsätzen nicht mehr tun, als Trost zu spenden. Auch, wenn er dabei manchmal kichern muss.
Wie im Fall von Agnes, die ihrem Mann Josef eine Herzmassage verabreicht, während sich Nießen mit Blaulicht und Kollege Hein auf den Weg zu ihr macht. Eins fällt ihm sofort auf - in der Wohnung riecht es aufdringlich blumig.
"Wie haben Sie das Herz massiert", will Nießen wissen. Agnes zückt darauf hin ein Fläschchen Kölnisch Wasser aus der Strickjacke, benetzt ihre rechte Hand und verreibt es großzügig auf Josefs Brust.
Die duftende Wohnung ist damit ebenso geklärt wie der Unterschied zwischen Herzmassage und Herzdruckmassage. Letztere hätte Josef wohl auch nicht mehr geholfen, der Mann war bereits seit einer Stunde tot. Agnes hat getan, was sie konnte.
20 dieser Geschichten hat Jörg Nießen zusammengetragen und veröffentlicht. Trotz aller Skurrilität wahre Geschichten, wie er betont, die auf echten Erlebnissen beruhen, aber stark verfremdet wurden. Aus guten Gründen: "Der Unterhaltungswert steigt, und die Nachvollziehbarkeit im Hinblickauf Schweigepflicht und den Datenschutz sinkt."
Waskeine schlechte Idee ist - angesichts von komischen Ereignissen in Bordellen oder Unfällen beim Aktzeichnen. Vorsichtshalber verrät Nießen nicht, in welcher nordrhein-westfälischer Großstadt er im Einsatz ist. Nur so viel: "Ich trinke lieber Kölsch als Alt." Ein Schelm, wer dabei an Bonn denkt.
Beim Bierchen, pardon Kölsch, ist die Idee zum Buch auch entstanden. "Ich habe Freunden viel von meinen Einsätzen erzählt, bis einer vorschlug, ich solle doch ein Buch schreiben." Nach zwei Jahren Schreiberei und "frechen und größenwahnsinnigen" Anfragen bei Verlagen ist das Buch jetzt da. "Schauen Sie sich mal diese Sauerei an" heißt es.
Dass sich Menschen möglicherweise daran stören, über Missgeschicke oder Verletzungen von anderen zu lachen, weiß der Blaulicht-Reporter. "Man darf aber dennoch über meine Einsätze lachen, weil ich mich nicht über die Patienten lustig machen." Er habe keine Mission und auch kein Fachbuch geschrieben. "Ich will unterhalten."
Allerdings nicht so platt, wie seine Retter-Helden-Kollegen aus dem Fernsehen. "Ich finde Sendungen wie Medicopter oder Ärzteserien lächerlich." Sie hätten wenig mit der Realität zu tun. "Ich jedenfalls habe noch nie eine Geiselnahme beendet."
Dafür aber schon mal einem Kind mit dickem Hals geholfen. Dessen Mutter hatte voller Sorge die Feuerwehr benachrichtigt, weil "ihr kleiner Sohn" so schwer Luft bekam. Er war 62Jahre alt und Asthmatiker.
Nießens Einsätze sind aber nicht immer lustig. Tipps zum korrekten Verhalten in Notsituationen gibt er deshalb gern (siehe rechts). Und er warnt zur Sicherheit auch vor dem größten Unfallrisiko: "Vermeiden Sie unbedingt Hausarbeit!"