Am Ende trat Mubarak nicht selbst vor sein Volk
Ein mehrwöchiges Drama hat seinen Höhepunkt erreicht — und ein ganzes Land atmet auf.
Kairo. Der Präsident blieb am Ende stumm. Sein Stellvertreter Omar Suleiman las die entscheidenden Sätze in die Kamera des staatlichen Fernsehens: „Präsident Mubarak hat sich entschieden, als Präsident der Republik zurückzutreten.
Er hat die Macht an das Oberkommando der Armee übergeben. Möge Gott helfen!“ Ein unglaubliches Drama hat seinen Höhepunkt erreicht. Der unbeugsame Wille des ägyptischen Volkes hat Husni Mubarak nach 30 Jahren an der Macht aus dem Amt geworfen.
Auf dem Tahrir-Platz brandete unbeschreiblicher Jubel auf. Mit Tränen in den Augen fielen sich die Menschen um den Hals. „Ich kann es nicht fassen, das ägyptische Volk hat sein Joch abgeschüttelt“, rief eine Aktivistin. In anderen Teilen Kairos gaben viele Menschen Freudenschüsse ab. Auf den Boulevards ertönten laute Hupkonzerte.
18 Tage hatte dieses Ringen gedauert. Tage, in denen Geschichte geschrieben wurde. In Ägypten und im gesamten Nahen Osten. Ein Herrscher der alten Schule, im Vergleich zu anderen vielleicht gar nicht der schlimmste, sah sich einem Volk gegenüber, das selbstbewusst seine Rechte einforderte.
Die junge Bewegung, die Freiheit, Demokratie und Menschenwürde verlangte, war immun gegen die Machenschaften der noch in alten Ostblock-Methoden geschulten Geheimdienste Mubaraks. „Wie habt ihr das gemacht? Wer steht hinter euch?“, fragten die Verhörbeamten den Helden der Bewegung, den Google-Manager Wael Ghonim, als sie ihn zwölf Tage festgesetzt hatten.
Die Generation Facebook machte mobil — das Netzwerk gegen die Hierarchie. Und während die jungen Cleveren mit ihren Internet- und Twitter-Kampagnen die Bewegung anschoben, erwachte das Volk des Nils aus seiner Apathie. Der Mangel an Freiheit und Demokratie und vor allem die enormen sozialen Gegensätze gingen auch diese Menschen etwas an. Zunehmend schlossen auch sie sich der Bewegung an, erhöhten mit Streiks im ganzen Land den Druck.
Noch am Donnerstagabend hatte sich Mubarak an die Macht geklammert. Er bleibe bis zur Präsidentenwahl im September im Amt, gab er sich uneinsichtig. Mit dieser Rede goss er aber Öl ins Feuer. Millionen Menschen strömten am Freitag auf die Straßen und Plätze des Landes. Friedlich und bestimmt erinnerten sie den 82-jährigen Patriarchen daran: Es ist Zeit zu gehen.
Mubarak tauchte in sein Domizil in Scharm el Scheich am Roten Meer ab. Ob das Militär ihn dazu gedrängt hat, war nicht bekannt. Es war auch nicht wichtig. Nach zweieinhalb Wochen der Ungewissheit, nach 300 Toten, die das alte Regime in seiner Agonie verschuldet hatte, konnte Ägypten aufatmen.