Ägypten braucht Glück und unsere Hilfe
Nach dem Rücktritt-Jubels warten komplizierte Aufgaben
Möglicherweise werden wir nie erfahren, warum sich Mubarak doch zum Rücktritt durchrang — oder wer ihn mit welchen Mitteln dazu trieb. Sicher ist nur, dass sein Schritt nichts mit tieferer Einsicht zu tun hat. Denn noch am Abend zuvor hatte der ägyptische Präsident bei seiner Ansprache starrsinnig gewirkt.
Er hatte damit bewiesen, wie erschreckend wenig Ahnung er von der wahren Stimmung im Volk hat. Ein Entfremdungs-Dilemma, das irgendwann bei allen Herrschern eintritt, die jahrzehntelang selbstherrlich regieren und nur geschönte Informationen von ihrem Hofstaat bekommen.
Zumindest war das gestrige Drehbuch so konzipiert, dass Mubarak einen Rest von Würde bewahren konnte. Erst zog er sich in seine Sommerresidenz zurück, dann ließ er seinen Rücktritt von seinem Stellvertreter verkünden. Somit bleibt ihm die demütigende Flucht ins ausländische Exil erspart. Vorläufig zumindest.
Wichtiger als die Frage nach Mubaraks Motiv ist das Ergebnis: Jetzt können wir hoffen, dass weitere blutige Ausschreitungen ausbleiben und Ägypten nicht, wie es viele Experten befürchteten, in einen Bürgerkrieg schlittert. Das Land hat die Chance, zu einer echten Demokratie zu werden. Viel Glück und Erfolg dafür!
Auf dem Weg dorthin gibt es allerdings hohe Hürden. Die erste wichtige Frage ist, was das Militär mit seiner enorm gewachsenen Macht anfängt? Die Gefahr, dass sich Generäle an diesen Zustand gewöhnen und eine neue Diktatur etablieren, ist angesichts der großen Volksnähe der Streikräfte hoffentlich gering.
Es gibt auch kaum eine Alternative zu einer vorübergehend starken Rolle des Militärs. Denn die Menschen müssen sich erst an Demokratie gewöhnen, sich informieren, Meinungen bilden, neue Parteien gründen, Kandidaten aufstellen und dann eine gute Wahl treffen.
Bei diesem beschwerlichen Weg kann und muss der Westen verständnisvoll helfen. Das haben die Menschen in Ägypten verdient. Er muss es aber auch im eigenen Interesse tun: Die gesamte Region ist wirtschaftlich und militärisch enorm wichtig, ein Erstarken radikaler Islamisten wäre fatal, und die Situation könnte für Israel bedrohlich bis unhaltbar werden. Amerika und Europa müssen und werden deshalb unterstützend tätig sein. Aber bitte mit Augenmaß und ohne Besserwisserei.