Analyse: Die kleinen Fallstricke der erneuerten EU
Europa hat mit Beginn des Jahres 2010 einen Präsidenten und eine Außenministerin. Doch nun drohen Eifersüchteleien.
Brüssel. Fredrik Reinfeldt ist - der Rotator. Aber nicht mehr lange. Auf dem EU-Gipfel in Brüssel waltet der Schwede zum letzten Mal des Amtes, das bisher dem halbjährlich wechselnden Vorsitzenden (Rotation) der Staats- und Regierungschefs übertragen war: vor den Gipfeln die Kollegen in den 26 Partnerstaaten zu den anstehenden Problemen befragen, eine Einladung schicken, vor dem Brüsseler Ministerratsgebäude ausharren, bis auch die Hand des letzten eintreffenden Teilnehmers geschüttelt ist, zusehen, dass mittels Diplomatie aus Streitpunkten Gemeinsamkeiten werden. Und das Ergebnis so verkünden, dass alle verstehen: Europa hat wieder einen Schritt nach vorn getan.
Diese in Jahrzehnten herausgebildete Routine wird durch den Lissabonner Vertrag abgeschafft. Zum Jahreswechsel verschwindet der Rotator, es übernimmt "der Permanente". Der permanente "Präsident des Europäischen Rats" - der Belgier Herman Van Rompuy ist der erste - amtiert für mindestens zweieinhalb Jahre und kümmert sich um all die Aufgaben, die bis dato dem Premier oder Präsidenten des Vorsitzlandes oblagen.
Kompliziert wird die Sache dadurch, dass die rotierende Präsidentschaft keineswegs ganz verschwindet, sondern nur auf Gipfel- und Außenminister-Ebene. Bei den Außenamtschefs übernimmt jetzt die "EU-Außenministerin" Catherine Ashton den Vorsitz. In allen anderen Ministerräten - Justiz, Verkehr, Landwirtschaft usw. - präsidiert auch in Zukunft der Ressortchef des rotierenden Vorsitzlandes.
Im ersten Halbjahr 2010 ist das Spanien. Da ergibt sich die pikante Konstellation, dass der spanische Regierungschef Zapatero und sein Außenminister Moratinos die EU-Bühne den Permanenten Van Rompuy und Ashton überlassen müssen. Das restliche Kabinett wird hingegen EU-Cheffunktionen ausüben.
In dieser Struktur drohen Kompetenzenstreit und Eifersüchtelei eine natürliche Heimstatt zu finden. Das zu verhindern, ist die womöglich schwerste Aufgabe von Ashton und Van Rompuy. Ashton soll nun ein Konzept für den neuen diplomatischen Dienst der EU vorlegen. Die Britin darf im übrigen an den Gipfeln der Staatschefs teilnehmen. Die nationalen Außenminister, bislang fast immer dabei, hingegen nur selten. Als Guido Westerwelle und seine Kollegen Anfang der Woche berieten, war das Zähneknirschen unüberhörbar. Viel machen können sie nicht: Es steht so im Vertrag.