Analyse: Kochs Rückzug schadet Merkel und der Partei
Ohne einen konservativen Star kann die CDU ihren Status als Volkspartei verlieren.
Düsseldorf. Die größte Volkspartei ist die der Nichtwähler. Möglich, dass sie bald auch die einzige ist. Fast 40 Prozent der Stimmberechtigten sind bei der Landtagswahl am 9. Mai zuhause geblieben. Und auch die Bundestagswahl 2009 lockte nur noch 70 Prozent der Bürger an die Urnen. Die Lustlosigkeit hat eine Ursache: Die großen Parteien können ihre Sympathisanten nicht mehr mobilisieren.
Dass die SPD im September vergangenen Jahres gerade noch 23 Prozent der Stimmen erringen konnte, bedeutete das Ende ihres Daseins als Volkspartei. Spätestens seit dem angekündigten Rückzug von Hessens Ministerpräsident Roland Koch droht dieses Schicksal auch der CDU.
Mit Koch geht das letzte konservative Bollwerk der Christlich-Demokratischen Union. Dass vor allem auch die Kirchen den Abschied des 52 Jahre alten Politikers mit großem Bedauern zur Kenntnis genommen haben, lässt tief blicken. Die Wertkonservativen verlieren nach Friedrich Merz nun auch noch ihren letzten einflussreichen Fürsprecher in der CDU der Angela Merkel.
Die Bundeskanzlerin dürfte sich zunächst zwar darüber freuen, dass ihr aus Hessen künftig kein spürbarer Wind mehr entgegenweht, langfristig aber gefährdet Kochs Abschied auch ihre Position. Denn eine CDU, die Hunderttausenden von Wählern rechts der Mitte keine Heimat mehr bietet, wird es schwerer haben, stärkste Fraktion im Bundestag zu bleiben. Die Schwesterpartei CSU hilft da nicht. Sie ist nur in Bayern wählbar.
Das gilt umso mehr, als die SPD ein alarmierendes Beispiel gibt. Deren Hinwendung zu pragmatischer Politik jenseits von ideologischen Zwängen hat die Gründung der WASG beziehungsweise der Linken begünstigt, die der SPD nun in Bund und Ländern spürbar Konkurrenz macht.
Im konservativen Lager gibt es solche Bestrebungen bisher freilich nicht. Aber dass die Klientel rechts von der Mitte auf Dauer auf eine politische Plattform verzichtet, ist eher unwahrscheinlich. Mittelfristig ist deshalb nicht ausgeschlossen, dass auch der CDU eine Konkurrenz aus dem eigenen Lager erwächst.
Kurzfristig werden die Christdemokraten den Aderlass aus ihrem konservativen Flügel in Stimmen spüren. Ministerpräsident Jürgen Rüttgers ist mit dem Versuch gescheitert, die Christdemokraten in NRW als wahre Erben des SPD-Übervaters Johannes Rau zu etablieren. Es folgte vor knapp drei Wochen der Absturz auf das schlechteste CDU-Ergebnis in der Landesgeschichte.
Dass in NRW eine Million Leute weniger CDU gewählt haben als 2005, sollte auch die Parteichefin und Bundeskanzlerin bewegen, über ihren Kurs nachzudenken. Es sei denn, Angela Merkel wäre auf Dauer mit der bald gar nicht mehr so Großen Koalition als Regierungsoption für die CDU zufrieden.