Analyse: Vom Superstar zum Prügelknaben
Am Mittwoch jährt sich zum ersten Mal der Wahlsieg von Barack Obama. Eine Bilanz.
Washington. Ein Jahr nach seiner historischen Wahl zum ersten afro-amerikanischen US-Präsidenten ist Barack Obama in der Wirklichkeit angekommen. Zwar hatte er vom ersten Tag an mit der schweren Erblast seines Vorgängers George W. Bush zu kämpfen, doch nach der Wahl wurde er von einer Welle der Euphorie getragen; Obama galt der kriegs- und krisengeschüttelten Nation als großer Hoffnungsträger. Mittlerweile ist der Vertrauensvorschuss aber verloren.
Angesichts der Fülle der Probleme und seiner relativ kurzen Zeit im Amt hat Obama im Grunde beachtliche Erfolge vorzuweisen. Trotz steigender Arbeitslosigkeit hat sich die Wirtschaft zwischenzeitlich erkennbar stabilisiert und im abgelaufenen Quartal die Wachtumsrate wieder kräftig zugelegt.
Das Ende der Rezession lässt sich wesentlich auf staatliche Ausgabenprogramme von 787 Milliarden Dollar zurückführen, die allerdings zu Rekorddefiziten geführt haben und das Risiko einer Hyperinflation bergen.
Der Rückzug aus dem Irak ist mittlerweile in Stein gemeißelt. Bis Ende August 2010 soll der Kampfeinsatz beendet sein und bis Ende 2011 der letzte US-Soldat das Land verlassen haben. Zudem hat die umfassendste Gesundheitsreform in der US-Geschichte die ersten Hürden im Kongress genommen und könnte noch vor Jahresende in Gesetzesform gegossen werden.
Anstatt aber den unermüdlichen Einsatz ihres Präsidenten anzuerkennen und seine Etappenerfolge zu würdigen, sind die Amerikaner desillusioniert und unzufrieden. Mittlerweile geben ihm weniger als die Hälfte der Wähler gute Noten für die Handhabung der Wirtschaftskrise und der Gesundheitsreform. Noch größer ist der Unmut über den Verlauf des Afghanistankriegs und die Pläne des Weißen Hauses, die Militärpräsenz um bis zu 40000 Soldaten aufzustocken.
Da die Taliban mittlerweile in mehr als 80 Prozent der afghanischen Provinzen Fuß gefasst haben, Schattenregierungen etabliert haben und dort fast nach Belieben Terroranschläge verüben können, wird in Washington damit gerechnet, dass selbst die von Oberbefehlshaber Stanley McChrystal geforderten 40000 Soldaten viel zu wenig sein könnten. Eine Forderung nach noch mehr Soldaten aber wäre im Kongress wohl kaum durchzusetzen und könnte dem Ansehen der Regierung weiter schaden.