Analyse: Erdogans unpopuläre Kurden-Politik
Der türkische Regierungschef stößt bei seinem Versuch, den Konflikt zu lösen, auf viel Widerstand.
Düsseldorf. Im Linienflug von Berlin nach Istanbul blieben am Mittwoch 16 Plätze frei. Eigentlich, so war es verabredet, sollten da 16 PKK-Mitglieder aus ihrem westeuropäischen Exil in die Türkei zurückkehren und dort nach kurzem Verhör auf freien Fuß gesetzt werden. So sah es die "kurdische Initiative" vor, der seit langem angekündigte Vorstoß des türkischen Premiers Tayyip Erdogan zur Lösung des Kurdenproblems. Doch in letzter Minute stoppte die türkische Regierung die Aktion.
Premier Erdogan sprach zwar nur von einer "Pause", doch manche Beobachter sehen das Projekt schon in der Sackgasse, bevor es richtig begonnen hat. Und verantwortlich dafür ist offenbar die zu große Begeisterung der Kurden.
Denn eine Woche zuvor waren schon 34 Kurden, darunter acht bewaffnete PKK-Kämpfer, aus einem irakischen Lager zurückgekehrt. Wie zuvor mit der türkischen Regierung verabredet, hatten sie an der Grenze die Waffen niedergelegt und waren dann nach kurzem Verhör durch die Staatsanwaltschaft auf freien Fuß gesetzt worden. All das war vorgesehen.
Nicht erwartet aber hatte Ankara, dass Zehntausende Kurden den PKK-Leuten einen enthusiastischen Empfang bereiten würden. In einem regelrechten Triumphzug feierten die Kurden ihre Landsleute, die doch in den Augen der übergroßen Mehrheit der Türken nur Terroristen sind.
Damit sich das nicht mitten in Istanbul wiederholt, musste Erdogan seine Initiative stoppen. Denn schon zuvor war der Premier wegen seines Versöhnungskurses gegenüber den Kurden von der Opposition als "Verräter" beschimpft worden. Zudem steht Erdogan wegen seines Ausgleichs mit Armenien unter Druck der Nationalisten. Beide Initiativen strapazieren das ohnehin leicht verletzbare nationale Gefühl der türkischen Mehrheitsbevölkerung aufs Äußerste.
Nachdem jetzt auch noch Putschpläne aus dem Militär, das im Kampf gegen die PKK viele Opfer zu beklagen hatte, bekannt wurden, blieb Erdogan keine Wahl: Er musste den Ausgleich mit den Kurden stoppen. Es handele sich nur um eine "Pause", das Projekt sei nicht beendet, versicherte der Premier. Erdogan wird jedoch sehr viel Geschick und Mut benötigen, um diesen Jahrhundertkonflikt tatsächlich zu lösen. Immerhin ist er der erste türkische Regierungschef, der sich darum ernsthaft bemüht.