Angst in Jerusalem und Gaza
Weitere Metropolen rücken ins Fadenkreuz der Hamas. Palästinenser fürchten nun auch eine Bodenoffensive.
Tel Aviv/Jerusalem/Gaza. Raketen auf Jerusalem, die heilige Stadt für alle drei großen monotheistischen Religionen. Selbst im kriegserprobten Israel hätte damit niemand gerechnet. Der Schock sitzt tief. Viele Menschen brechen in Panik aus, wissen nicht wohin.
Ähnliche Szenen auch in Tel Aviv: Einem Mädchen schlottern die Beine, es kann sich vor Angst kaum noch aufrecht halten. Gerade hat es wieder einen heftigen Knall von einer Rakete aus dem Gazastreifen gegeben. Israels größte Metropolen liegen plötzlich im Fadenkreuz militanter Palästinenser.
Aber im Gazastreifen leiden die Menschen am schlimmsten unter dem blutigen Schlagabtausch. Gaza-Stadt — sonst laut und quirlig — wirkt wie ausgestorben. Die Menschen rücken zusammen in ihren Wohnungen. Viele fürchten eine israelische Bodenoffensive. Alle paar Minuten werden Häuser von den Detonationen israelischer Raketen erschüttert, die Luftwaffe fliegt wieder Angriffe. Dazwischen mischt sich das Pfeifen und Zischen startender Kassam-Raketen Richtung Israel.
Durch die menschenleeren Straßen rasen nur noch Krankenwagen von Einschlagsort zu Einschlagsort. Die Hoffnung auf eine Beruhigung durch den Besuch des ägyptischen Ministerpräsidenten Hischam Kandil ist schnell verflogen. „Wir waren so froh, dass Kandil kommt — aber nun hat die Hamas die von Israel angebotene Feuerpause ausgeschlagen“, schimpft ein 55-Jähriger. In der Luft liegt beißender Brandgeruch.
Schulen, Universitäten, Geschäfte, Büros — alles ist geschlossen und verbarrikadiert. Die Menschen sitzen zu Hause mit gehorteten Lebensmitteln und erwarten das Schlimmste.
Vor allem Kinder und Jugendliche leiden. „Ich kann nicht mehr schlafen. Ich wache von den Explosionen auf. Ich habe Angst. Ich höre die Bomben und das Pfeifen der Raketen und mein Herz rast“, erzählt der 15-jährige Mohamed al-Bahtini.
Nach offiziellen Angaben wurden mindestens zwölf Zivilisten getötet, auch Kinder. Viele erinnert die Lage an die Zeit unmittelbar vor dem israelischen Einmarsch zur Jahreswende 2008/2009. Damals starben mindestens 1400 Menschen im Gazastreifen.
Aber auch in Israel leiden die Menschen. Erstmals wurde nun Jerusalem angegriffen. Dabei wähnten sich die Menschen dort vor allem wegen der vielen Heiligtümer sicher.
In einem vierstöckigen Gebäude im Zentrum der Metropole rennt eine Frau mit ihren beiden erwachsenen Töchtern aufgeschreckt aus der Wohnung. Die Sirenen haben sie aus der Mittagsruhe gerissen. „Wo sollen wir hinlaufen? In den Keller, oder lieber im Treppenhaus bleiben?“, fragt sie den Tränen nahe. Eine ihrer Töchter versucht hektisch, auf ihrem Handy Nachrichten zu lesen. Aber das Netz ist wegen Überlastung zusammengebrochen.