Bizarres Assad-Interview: „Wollte das Volk schützen“
Washington/Damaskus (dpa) - Keine Spur von Reue: Syriens Staatschef Baschar al-Assad bestreitet jede Verantwortung für die Tausenden Toten bei den Unruhen in seinem Land.
„Ich tat mein Bestes, um das Volk zu schützen(...) Ich kann mich nicht schuldig fühlen“, sagte der Diktator in einem Interview des US-Senders ABC. Zugleich stellte er unmissverständlich klar: Sanktionen können ihn nicht schrecken. Regierungsgegner und Menschenrechtsorganisation werfen der syrischen Führung vor, die Proteste mit tödlicher Gewalt zu bekämpfen. Die US-Regierung sagte zu den Interview-Äußerungen, Assad habe anscheinend den Bezug zur Realität verloren.
Er habe keinen Befehl zur Unterdrückung der Protestbewegung gegeben, behauptet Assad. Die meisten Toten der vergangenen Monate seien seine Unterstützer und nicht Demonstranten gewesen. „Nur eine verrückte Person würde ihr eigenes Volk ins Visier nehmen“, sagte Assad. „Es gab keinen Befehl zu töten oder brutal zu sein.“
„Wir töten nicht unsere Bevölkerung (...) Keine Regierung der Welt tötet die eigenen Leute, solange sie nicht von einem Verrückten geführt wird.“ Es habe lediglich „einige Fehler“ von Beamten gegeben, räumte Assad in dem am Mittwoch ausgestrahlten Interview ein.
Nach Schätzungen der Vereinten Nationen wurden in Syrien seit Beginn der Demonstrationen im März über 4000 Menschen getötet. Internationale Menschenrechtsorganisationen gehen davon aus, dass der überwiegende Teil der Todesopfer aus den Reihen der Regimegegner stammt. Viele von ihnen seien zu Tode gefoltert worden.
Nach Angaben der Organisation Syrischer Menschenrechtsbeobachter wurden mehr als 3400 Zivilisten getötet und 1277 Angehörige der Sicherheitskräfte und Milizen.
Nach Angaben von ABC äußerte sich Assad erstmals seit Beginn der Unruhen in einem US-Sender. Assad machte klar, dass auch Wirtschaftssanktionen ihn nicht zur Umkehr zwingen könnten. „Wir sind seit 30, 35 Jahren unter Sanktionen. Das ist nichts Neues.“
In Wirklichkeit sei Syrien nicht isoliert, es gebe Handel und Verkehr. Dagegen hatten mehrere westliche Staaten sowie die Arabische Liga Sanktionen verhängt. Die Arabische Liga setzte zudem die Mitgliedschaft Syriens aus.
Der Sprecher des US-Außenministeriums, Mark Toner, sagte, die Berichte über die Gewaltanwendung gegen das syrische Volk seien „glaubwürdig und schockierend“. Assad habe in dem Interview „total entfernt von der Realität und der brutalen Unterdrückung gegen das syrische Volk“ gewirkt. „Es ist entweder Abkoppelung (von der Wirklichkeit), Ignoranz oder, wie er gesagt hat, verrückt. Ich weiß es nicht.“
Die Gewalt im Land reißt nicht ab. Die syrische Revolutionsbewegung meldete, am Mittwoch seien weitere acht Menschen getötet worden. Darunter sollen vier Männer aus der Stadt Homs gewesen sein, die zu Tode gefoltert wurden, sowie ein Deserteur. In der Provinz Idlib sei es zu Gefechten zwischen Deserteuren und Regierungstruppen gekommen.
Zugleich teilten staatliche syrische Medien mit, Grenzschützer hätten an der Grenze zur Türkei eine Gruppe von 35 „Terroristen“ abgefangen. Die bewaffneten Extremisten hätten in der Nacht zum Dienstag versucht, auf syrisches Staatsgebiet vorzudringen, meldete die Nachrichtenagentur Sana am Mittwoch. Nach einem Schusswechsel mit den Grenzwächtern hätten sie sich jedoch zurückziehen müssen. Eine Bestätigung von unabhängiger Seite gab es für diesen Bericht nicht.
Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, Ruprecht Polenz (CDU), sagte im Deutschlandradio Kultur: „Ich habe immer mehr Sorge, dass wir in einen Bürgerkrieg abgleiten in Syrien.“ Je eher Präsident Assad erkenne, dass er sich nicht an der Macht halten könne, desto besser sei es für Syrien.