Cameron im Visier empörter Briten
Der Premier muss sich rechtfertigen, warum er den umstrittenen Redaktionsleiter von „News of the World“ zum Sprecher machte.
London. Operation Bauernopfer gescheitert: Medienmogul Rupert Murdoch, der sein Skandalblatt „News of the World“ für kriminelle Recherchemethoden mit Schließung straft, kann die Ausweitung der Medienkrise an der Themse nicht aufhalten. Am Freitag nahm die Polizei Ex-Regierungssprecher Andrew Coulson und Königshaus-Reporter Clive Goodman fest. Auch Premier David Cameron gerät nun ins Visier empörter Briten.
Handy-Mailboxen von 4000 Personen, darunter Stars, Soldaten, Witwen und vermisste Kinder, hat „News of the World“ unter der Redaktionsleitung von Andrew Coulson anzapfen lassen. 2009 sickerten erste Erkenntnisse durch; Coulson nahm seinen Hut. Dennoch heuerte Tory-Chef David Cameron den Medienprofi für sein Presseteam an. „Er wurde mein Freund, und er ist mein Freund“, betonte der Premier.
Doch die Urteilskraft des britischen Regierungschefs hat mit den Enthüllungen erheblich gelitten. Wie viel wusste Cameron über die Machenschaften des Boulevardjournalisten? „Ich habe mit Andrew damals über die Vorfälle gesprochen“, verteidigte sich der Premier. „Mein Eindruck, dass er keine Abhöraufträge erteilt hat, bestätigte sich.“ Er habe ihm eine zweite Chance geben wollen, „und diese zweite Chance hat eben nicht funktioniert“. Coulson wird derweil Korruption und Bruch des Telekommunikationsgesetzes vorgeworfen.
Erst am Donnerstag war die Entscheidung getroffen worden, „News of the World“ nach 168 Jahren am Sonntag einzustellen. 200 Mitarbeiter verlieren ihre Jobs. Ihre Wut ist groß — vor allem, weil viele der Reporter, Redakteure und Lektoren erst nach der Hochphase der Schnüffelmethoden eingestellt worden waren. Dass der Verlag allein die Geschäftsführerin weiter beschäftigt, sorgte für Protest: Rebekah Brooks, von Vorwürfen belagerte Ex-Chefredakteurin, musste von Sicherheitskräften aus dem Verlagshaus eskortiert werden.
Zwei Untersuchungskommissionen sollen die Affäre aufdecken. Eine wird sich auch mit Korruption bei der Polizei befassen. Hochrangige Beamte hatten gegen Schmiergeld Ermittlungsergebnisse verraten. „Wir drehen jeden Stein um“, drohte Cameron.