Ein bisschen Blockade: Castor-Transport am Ziel

Lubmin (dpa) - Hier eine kleine Mahnwache, dort ein Protestplakat: Weitgehend ungehindert fuhr der Atommüll-Zug von Südfrankreich bis nach Vorpommern. Auf den letzten Kilometern vor dem Ziel stoppten Atomkraftgegner den Zug dann aber doch noch für Stunden.

Nach knapp zweitägiger Fahrt erreichte der Atommüll-Transport das Zwischenlager Nord bei Lubmin. Eine Ankettaktion von zwei Atomkraftgegnern kurz vor dem Ziel in Vorpommern verzögerte die Ankunft des Zuges um rund sechs Stunden.

Etwa 1700 Kilometer war der letzte Atommüll-Transport des Jahres nahezu unbehelligt bis zur Ostsee gerollt. 15 Kilometer vor dem Ziel zwangen die Aktivisten der Umweltorganisation Robin Wood den Zug jedoch zur Zwangspause.

Der Transport brachte vier Castor-Behälter mit rund 2500 Brennstäben auf das Gelände der Energiewerke Nord. Dort betreibt der Bund seit Ende der 90er Jahre ein Zwischenlager, das ursprünglich nur für Atommüll aus den beiden stillgelegten ostdeutschen Kernkraftwerken vorgesehen war.

Gegen den Willen des Landes Mecklenburg-Vorpommern werden dort jetzt auch Brennstäbe aus Forschungseinrichtungen des Bundes gelagert. Das nun angelieferte hoch radioaktive Material stammt aus dem früheren Kernforschungszentrum Karlsruhe und vom einstigen atomgetriebenen Forschungsfrachter „Otto Hahn“. Der Atommüll lagerte bis zum Rücktransport jahrelang im südfranzösischen Cadarache.

Trotz großer Polizeipräsenz und eisiger Kälte hatten sich die Umweltaktivisten südöstlich von Greifswald an die Bahngleise ketten können. Ihre Unterarme seien zudem einbetoniert gewesen, sagte ein Polizeisprecher. Um Verletzungen zu vermeiden, seien die Beamten bei der „Befreiung“ der Atomkraftgegner sehr vorsichtig vorgegangen.

Die Proteste fielen mit insgesamt wenigen hundert Teilnehmern weit verhaltener aus als beim jüngsten Castor-Transport nach Gorleben in Niedersachsen. Anfang November hatten dort mehrere zehntausend Menschen demonstriert, darunter auch führende Bundespolitiker.

Die Atomkraftgegner konnten am Donnerstag den Zug laut Polizei auch in Magdeburg und bei Ludwigslust in Mecklenburg kurz stoppen. Ein Großaufgebot der Polizei - dem Vernehmen nach waren bundesweit mehr als 10 000 Beamte von Bund und Ländern im Einsatz - und die widrige Witterungsverhältnisse bremsten den Protest an der Strecke. Kälte und starke Schneefälle forderten auch den Polizisten alles ab und verstärkten zudem den Unmut der Bewohner in der Region: Sie mussten im Feierabendverkehr wegen vorsorglicher Streckensperrungen zum Teil lange Wartezeiten in Kauf nehmen.

Bei Eiseskälte hatten am Mittag rund 200 Menschen kurz vor dem Ziel bei Lubmin eine Sitzblockade gebildet, die von der Polizei aber aufgelöst wurde. Etwa die Hälfte der Teilnehmer sei weggetragen und in geheizten Bussen abtransportiert worden. Die Polizei nahm nach eigenen Angaben knapp 100 Demonstranten vorübergehend in Gewahrsam. Bei der Protestaktion in Magdeburg waren in der Nacht zum Donnerstag 24 Atomkraftgegner in Gewahrsam genommen worden, bald darauf aber wieder freigekommen.

„Solche Transporte quer durch das Land zeigen, dass es in Deutschland kein plausibles Konzept zur Verwahrung der radioaktiven Hinterlassenschaften gibt“, sagte Dirk Seifert von Robin Wood. Ähnliche Kritik hatten am Morgen auch Atomkraftgegner geübt, die bei Ludwigslust den Zug für 15 Minuten zum Stehen brachten. „Der Protest richtete sich in erster Linie gegen die ungelöste Atommüllentsorgung. Seit 45 Jahren wird in Deutschland Atomstrom produziert, ohne dass klar ist, was mit den Abfällen passiert“, sagte der Sprecher des Informationsnetzwerks contrAtom, Bernd Ebeling.

Heftige Kritik gab es auch, weil Müll aus westdeutschen Atomanlagen in Lubmin eingelagert wird. Das Zwischenlager Nord war ursprünglich nur für radioaktiven Müll aus den beiden stillgelegten ostdeutschen Atomkraftwerken gebaut worden.

„Wir sind bereit, Atommüll aus Lubmin und Rheinsberg aufzunehmen, aber bitte nicht aus ganz Deutschland“, betonte Mecklenburg-Vorpommerns Regierungschef Erwin Sellering (SPD) im NDR. Da das Zwischenlager wie der Müll dem Bund gehört, hat das Land darauf aber keinen Einfluss.