Gerichtshof sieht kein Unrecht im Yukos-Verfahren
Straßburg/Moskau (dpa) - Das harte Vorgehen Russlands gegen den Ölkonzern Yukos des Ex-Managers Michail Chodorkowski ist nach Ansicht des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) insgesamt rechtens gewesen.
Allerdings stellten die Straßburger Richter in ihrem Urteil vom Dienstag einige Grundrechtsverletzungen fest. Über die Forderung der früheren Yukos-Eigner nach einem Rekord-Schadensersatz von 98 Milliarden US-Dollar (etwa 71 Milliarden Euro) will das Gericht später entscheiden. Man wolle erst eine mögliche Einigung zwischen Yukos und der russischen Regierung abwarten, hieß es in dem Urteil. Abgewiesen wurden Beschwerden über eine Verletzung des Diskriminierungsverbots. Gegen dieses Urteil ist eine Berufung möglich. Yukos wurde 2006 aufgelöst und der einstige Mehrheitsaktionär Chodorkowski wegen angeblicher Steuerhinterziehung und Betrugs zu einer langjährigen Lagerhaft verurteilt.
Die Steuerschulden des ehemals größten russischen Ölunternehmens seien „das Ergebnis legitimer Verfahren der russischen Regierung, um der Steuerhinterziehung des Unternehmens entgegenzutreten“, heißt es in dem Urteil. Damit wurden alle Vorwürfe der früheren Yukos- Eigentümer über einen politischen Hintergrund der Steuerverfahren zurückgewiesen. Sie hatten Russland beschuldigt, das Unternehmen in den Ruin getrieben zu haben, um es zu zerschlagen. Es gebe keine Hinweise, dass „Russland diese Steuerverfahren gegen Yukos dazu missbraucht hätte, um das Unternehmen zu zerstören und alle Aktiva des Konzerns unter seine Kontrolle zu bringen“, befand der EGMR.
Dementsprechend positiv war das Echo aus Moskau. „Das Gericht hat die Anschuldigungen an die Adresse Russlands, dass die Verfolgung von Yukos politisch motiviert und repressiv gewesen war, vollständig abgelehnt - ebenso eine angebliche Diskriminierung durch die russische Regierung.“ Das teilte das Justizministerium in Moskau nach Angaben der Agentur Interfax mit. Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch zeigte nicht „nicht überrascht“ von dem Urteil. „Die Richter haben zwar nach keinen Hinweis dafür gefunden, aber für uns ist der Fall Yukos politisch motiviert“, sagte die Vertreterin der Organisation in Moskau, Tatjana Lokschina.
Die Straßburger Richter bemerkten kritisch, dass die Eintreibung der Steuerschulden der Jahre 2000 bis 2003 „unverhältnismäßig“ gewesen sei und gegen den Schutz des Eigentums verstoßen habe. Allerdings wurde diese Position eingeschränkt: Die verschiedenen Behörden hätten alle auf legaler Grundlage gehandelt. Der EGMR lobte zugleich das Niveau der russischen Justiz: „Die rechtlichen Bestimmungen sind ausreichend präzise, um den Standards der Menschenrechtskonvention zu genügen“, hieß es in dem Urteil.
Ähnlich zurückhaltend hatte der EGMR bereits über die persönliche Beschwerde Chodorkowskis im März 2011 geurteilt. Zwar wurde Russland wegen Grundrechtsverstößen verurteilt. Doch den Anspruch des 48 Jahre alten Kremlkritikers, Opfer politischer Willkür gewesen zu sein, wiesen die Richter zurück.