Guttenberg warnt vor zu frühem Abzug aus Afghanistan
Berlin (dpa) - Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) hat vor einem übereilten Beginn des Bundeswehrabzugs aus Afghanistan gewarnt. Der geplante Start im nächsten Jahr sei ehrgeizig, sagte er in der ARD.
„Ich kann für mich oder die Bundesregierung nicht verantworten, verbleibende Soldaten zu gefährden, bloß weil man einer gewissen Sache nachkommen will, die man behauptet hat.“ Die katholische Kirche warnt ebenfalls vor einem zu schnellen Rückzug, während die evangelische Kirche einen klaren Zeitplan einfordert.
Unterdessen will die ARD nach scharfer Kritik an der Abschaltung ihres Programms für die Soldaten in Afghanistan den Sendebetrieb wieder aufnehmen. „In einer Blitzaktion“ sei es gelungen, eine Sondervereinbarung mit dem Satelliten-Betreiber SES-Astra in Luxemburg abzuschließen, teilte der ARD-Vorsitzende Peter Boudgoust heute in Stuttgart mit. Damit könnten die Soldaten noch vor Weihnachten wieder das ARD-Programm empfangen, das bereits im Juni aus Kostengründen abgeschaltet worden war.
Zum Rückzug der Bundeswehr vom Hindukusch hatte sich Außenminister Guido Westerwelle (FDP) in der vergangenen Woche festgelegt, dass die ersten deutschen Soldaten Afghanistan noch 2011 verlassen sollen. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) sagte bei ihrem Besuch in Afghanistan am vergangenen Wochenende allerdings, die Voraussetzung dafür sei, dies angesichts der Lage verantworten zu können.
Der Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Freiburgs Erzbischof Robert Zollitsch, sagte in einem Interview der Nachrichtenagentur dpa: „Ich warne die politisch Verantwortlichen (...) davor, überaus ambitionierte Pläne zu verfolgen und mit sehr knapp bemessenen Zeitvorgaben zu operieren.“ Das Wohlergehen der afghanischen Bevölkerung sei wichtiger als ehrgeizige Terminvorgaben einzuhalten.
Der Freiburger Bischof warf der deutschen Politik Fehler vor. „In Deutschland ist viel zu lange der Eindruck erweckt worden, der Afghanistan-Einsatz sei eine Art Aufbauhilfe unter militärischem Schutz“, sagte Zollitsch. „Diese Unterlassungssünde - begangen wohl aus einem gewissen Misstrauen gegenüber dem eigenen Volk - musste sich jedoch rächen.“ Die Wahrheit könne nicht länger verschwiegen werden.
Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Nikolaus Schneider, mahnte eine klare Abzugsstrategie an. Der Eindruck entstehe, dass an einem ernsthaften Ausstiegsszenario nicht konkret gearbeitet werde, sagte er im Gespräch mit der dpa. „Das kann dahin führen, dass zumindest nach den Maßstäben unserer Friedensethik die Legitimation dieses Einsatzes infrage steht.“ Es gehe der Kirche aber nicht darum, die deutschen Soldaten Hals über Kopf abzuziehen und einen Scherbenhaufen zu hinterlassen. „Wir haben Verantwortung übernommen und zu der Verantwortung müssen wir jetzt auch stehen.“
Schneiders Amtsvorgängerin Margot Käßmann hatte den Afghanistan-Einsatz vor einem Jahr kritisiert. Ihre Worte „Nichts ist gut in Afghanistan“ lösten teils heftige Reaktionen aus. Der Bundestag berät Ende Januar über die Fortsetzung des Einsatzes der Bundeswehr.
SPD-Chef Sigmar Gabriel knüpfte erneut Bedingungen an ein weiteres Bundestagsmandat. „Wenn die Bundesregierung uns folgt, oder besser gesagt der internationalen Staatengemeinschaft folgt und sagt "Wir wollen 2014 'raus sein mit allen Kampfhandlungen, auch mit der Bundeswehr, wir wollen 2011 mit dem Truppenabzug beginnen", dann glaube ich, wird es eine Zustimmung zum Mandat geben“, sagte er in der ARD. Gabriel verlangt einen Rückzug ab Mitte 2011.
Die Entscheidung der ARD, aus Kostengründen im Juni die Ausstrahlung ihres Programms über den Satelliten „Hotbird/Eutelsat“ einzustellen, hatte heftige Reaktionen ausgelöst. Der Wehrbeauftragte des Bundestages, Hellmut Königshaus (FDP), sagte der „Bild“-Zeitung: „Es ist ein Unding, wie die ARD mit unseren Soldatinnen und Soldaten in Afghanistan umgeht. Das ist nicht akzeptabel. Etwas Patriotismus würde einer öffentlich-rechtlichen Sendeanstalt schon gut tun.“ SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier sagte der „Bild“-Zeitung: „Das kann doch wohl nicht wahr sein, dass man den Soldaten im gefährlichen Auslandseinsatz das TV-Programm abdreht.“