Internationale Kritik an Todesurteilen gegen Islamisten
Kairo/Washington (dpa) - Nach den Todesurteilen gegen 683 Islamisten in Ägypten ruft die Muslimbruderschaft zu einer neuen „Revolution“ auf. Die von der Bewegung gegründete „Nationale Koalition für die Unterstützung der Legitimität“ kündigte Protestaktionen für den kommenden Mittwoch an.
International gab es massive Kritik an dem Richterspruch. Die Islamisten waren am Montag in der Provinz Minia wegen der Teilnahme an gewalttätigen Protesten und wegen Mordes verurteilt worden.
Das Weiße Haus forderte die ägyptische Regierung auf, keine weiteren Massenprozesse abzuhalten. Das Urteil setze sich über die grundlegendsten Standards des internationalen Rechts hinweg. Die politischen Führer Ägyptens müssten erkennen, dass eine Unterdrückung friedlich geäußerter, abweichender Meinungen ein Nährboden für Instabilität und Radikalisierung sei.
Die UN-Hochkommissarin für Menschenrechte, Navi Pillay äußerte sich empört. Es sei skandalös, dass das Gericht in Minia zum zweiten Mal in zwei Monaten nach oberflächlichen Verhandlungen die Todesstrafe gegen große Gruppen von Angeklagten verhänge, teilte sie in Genf mit. Pillay kritisierte, das Schicksal Hunderter Menschen hänge offensichtlich von einem Justizsystem ab, das internationales Recht auf einen fairen Prozess zunehmend mit Füßen trete.
Im größten Massenprozess der Geschichte Ägyptens waren auch 37 Todesurteile, die vor einem Monat gesprochen wurden, bestätigt worden. Im März waren bereits von dem Gericht in Minia 529 Todesurteile gefällt worden. Die meisten davon wurden nun in lebenslange Haft umgewandelt.
Auch aus dem Iran kam Kritik. „Die Todesurteile sind ein krasser Widerspruch zu den erklärten Zielen der ägyptischen Revolution“, sagte Außenamtssprecherin Marsieh Afcham in Teheran. Der Iran hoffe, dass die Urteile - die noch nicht rechtskräftig sind - revidiert und aufgehoben werden. Als die Muslimbrüder noch in Kairo regierten, hatte es erstmals seit Jahren wieder eine Annäherung zwischen Ägypten und dem Iran gegeben.
Die „Nationale Koalition für die Unterstützung der Legitimität“ der ägyptischen Islamisten rief derweil zu Protesten auf. In einer Erklärung hieß es, die Schreie der zu Unrecht Verurteilten seien „bis in die Paläste der Plünderer zu hören“. Auf einer Internetseite von Muslimbrüdern wurde ferner das Oberhaupt der Bewegung, Mohammed Badie, zitiert. Das Gericht in Minia hatte auch ihn zum Tode verurteilt. „Der Tod für die Sache Gottes ist unser größer Wunsch“, soll er demnach gesagt haben. „Und sollten sie mich tausend Mal hinrichten - ich werde nicht aufhören, das Richtige zu tun.“
Das ägyptische Militär hatte den demokratisch gewählten islamistischen Präsidenten Mohammed Mursi im Juli 2013 gestürzt. Seither wurden die Führungsriege der Muslimbruderschaft sowie Tausende Anhänger inhaftiert. Viele Islamisten wurden bei Protesten getötet. In einem Monat stehen in dem arabischen Land Präsidentenwahlen an. Aussichtsreichster Kandidat ist Ex-Armeechef Abdul Fattah al-Sisi.