Jahrestag des Aufstands in Syrien: Trauer und bestellter Jubel
Damaskus/Istanbul (dpa) - Ein Jahr blutiger Kämpfe, 8000 Tote, eine empörte Weltgemeinschaft - doch Syrien scheint von einer Lösung des blutigen Konflikts weiter entfernt denn je.
Den ersten Jahrestag des Beginns des Aufstands beging das Regime am Donnerstag mit organisierten Jubelfeiern - und mit neuen Angriffen und Massenfestnahmen. Während UN-Generalsekretär Ban Ki Moon dem Volk seine Solidarität versicherte, bleibt der Sicherheitsrat weiter stumm.
Anhänger des Regimes veranstalteten am Jahrestag der ersten Proteste in mehreren Städten Jubelfeiern. Das Staatsfernsehen zeigte Aufnahmen von fahnenschwenkenden Anhängern des Präsidenten in Damaskus, Deir al-Saur, Hasaka, Aleppo, Tartus und Al-Suwaida.
In der Hauptstadt Damaskus kam es bei Protesten von Regimegegnern zu Massenfestnahmen. Landesweit sollen am Donnerstag 65 Menschen getötet worden sein. Die meisten von ihnen starben nach Oppositionsangaben in den Provinzen Idlib und Daraa. Nach UN-Schätzungen sind in dem Konflikt inzwischen etwa 8000 Menschen getötet worden.
Protestaktionen sind dieser Woche auch in mehreren anderen Ländern geplant, um an den Beginn der syrischen Revolution am 15. März 2011 zu erinnern. Damals war eine kleine Demonstration in Damaskus mit Gewalt aufgelöst worden. Drei Tage später fielen in der Provinzstadt Daraa die ersten tödlichen Schüsse auf Demonstranten.
Trotz der Minen, die Regierungstruppen im Grenzgebiet verlegt haben sollen, flohen binnen eines Tages rund 1000 Syrer vor der Gewalt in die benachbarte Türkei. Ein Oppositioneller sagte dem TV-Sender Al-Arabija: „Heute ist ein Tag der Trauer, er markiert das Scheitern der internationalen Gemeinschaft, die nichts unternimmt, um die massiven Menschenrechtsverletzungen in Syrien zu beenden.“
In der Türkei sind mittlerweile 14 700 Syrer als Flüchtlinge registriert, zitierte die türkische Nachrichtenagentur Anadolu am Donnerstag einen Sprecher des Außenministeriums. Erneut sei ein syrischer General geflüchtet, so dass nun insgesamt sieben ranghöchste syrische Offiziere in der Türkei untergeschlüpft seien.
UN-Generalsekretär Ban zeigte sich solidarisch mit dem syrischen Volk. Ein UN-Sprecher forderte in seinem Namen „das Ende aller Gewalt und eine friedliche Lösung der Krise“. Ban rief die Regierung in Damaskus auf, den Sondergesandten der Vereinten Nationen und der Arabischen Liga, Kofi Annan, bei seinen Friedensbemühungen zu unterstützen. Die Aufforderung erging auch an die Opposition. Annan wollte den Sicherheitsrat am Freitagmorgen (Ortszeit) via Telekonferenz über seinen diplomatischen Einsatz in Damaskus unterrichten.
Der Nachrichtensender Al-Dschasira veröffentlichte ein Video, in dem bewaffnete Regimegegner die Freilassung aller Gefangenen aus der Stadt Duma fordern. Die Bewaffneten drohten, einen angeblich von ihnen gefangen genommenen General zu töten, falls ihre Forderung nicht erfüllt werde.
Die britische Zeitung „Guardian“ berichtete von E-Mails, in denen Assad zu Beginn des Aufstandes von der iranischen Führung den Rat erhalten habe, in seinen öffentlichen Auftritten Härte und Stärke zu demonstrieren. Die ersten Reden Assads hatten maßgeblich zu einer Radikalisierung der Protestbewegung beigetragen.
Nach Angaben der Zeitung stammen die E-Mails, die sich Hacker beschafft hätten, zum Teil von Assads Ehefrau Asmaa. Sie zeichneten das Bild eines Paares, das sich während des blutigen Konflikts mit dem Herunterladen von Musik, dem Betrachten alberner Videos und Internet-Shopping bei Laune hält. Die Echtheit der E-Mails könne laut „Guardian“ letztlich nicht zweifelsfrei überprüft werden.
Oppositionelle berichteten am Donnerstag von 23 Opfern eines Hinrichtungskommandos. Die Toten seien auf einem Feld in der Nähe der Provinzhauptstadt Idlib entdeckt worden. Die an den Händen gefesselten Männer seien jeweils mit Kopfschuss getötet worden. Vermutlich seien sie von den Truppen des Regimes nach Beginn der Militäroffensive in Idlib vor sechs Tagen verschleppt und vor der Erschießung auf dem Gelände eines Bauernhofes im Westen der Stadt verhört worden.