Neun Monate Haft für chinesische Bürgerrechtlerin

Peking (dpa) - Ungeachtet internationaler Proteste ist die chinesische Bürgerrechtlerin Wang Lihong am Freitag zu neun Monaten Haft verurteilt worden. Ein Volksgericht in Peking befand die 55-Jährige der Unruhestiftung für schuldig.

Ein Großaufgebot von Polizei in Uniform und Zivil riegelte das Gericht ab. Vergeblich versuchten zehn ausländische Diplomaten, darunter auch eine deutsche Vertreterin, an der Urteilsverkündung teilzunehmen.

Die 55 Jahre alte Bürgerrechtlerin war im Frühjahr im Zuge des Vorgehens der Staatssicherheit gegen befürchtete „Jasmin-Proteste“ nach arabischem Vorbild in Haft genommen worden. Wang Lihong hatte sich in den vergangenen Jahren einen Namen für ihren couragierten Einsatz in Bürgerrechtsfällen gemacht. Die jetzt erhobene Anklage gegen die frühere Geschäftsfrau bezog sich auf ihre Teilnahme an einem Protest im April 2010 vor einem Gericht in Fuzhou in Südostchina, das drei Internetaktivisten zu ein bis zwei Jahren Haft verurteilte.

Chinesische Bürgerrechtler und internationale Menschenrechtsgruppen kritisierten das Urteil. „Eine unschuldige Person sollte nicht einmal einen Tag in Haft sitzen“, schrieb Zeng Jinyan, die Frau des im Juni nach dreieinhalb Jahren Haft entlassenen Aktivisten Hu Jia, im Kurznachrichtendienst Twitter. Sie wies darauf hin, dass das Urteil genau am 35. Todestag des „großen Steuermanns“ Mao Tsetung erfolgte, dessen Verfolgung und Kampagnen Millionen Chinesen zum Opfer gefallen waren. „Sein Geist lebt fort.“

Wie schon bei der Verhandlung am 12. August konnten auch an der Urteilsverkündung keine Diplomaten teilnehmen. „Wir wurden sofort abgefangen“, sagte ein Diplomat der Nachrichtenagentur dpa. „Uns wurde gesagt, dass es keinen Platz im Gerichtssaal gibt.“

Neben Deutschland und der EU hatten Österreich, Großbritannien, Tschechien, Schweden, Norwegen, die USA, Kanada und Australien Vertreter entsandt. „Wir wollen damit auch demonstrieren, dass wir solche Prozesse grundsätzlich gerne beobachten wollen“, sagte ein Sprecher der deutschen Botschaft. „Das Gericht hat es aber nicht erlaubt.“

Der Sohn von Wang Lihong, Qi Jianxiang, bedankte sich im Namen seiner Mutter bei den Diplomaten für die Unterstützung. Bei ihrer Strafe wird die Zeit angerechnet, die Wang Lihong bereits in Haft war. Offizieller Haftbeginn ist deshalb der 21. April. Seine Mutter müsse noch vier Monate im Frauengefängnis des Pekinger Bezirks Chaoyang absitzen, berichtete der Sohn. Sie habe in Haft abgenommen, sei aber in guter körperlicher Verfassung.

Da Wang Lihong sogar bis zu fünf Jahre Haft drohten, wirkte das Urteil vergleichsweise milde. „Wir hatten Schlimmeres befürchtet“, sagte ein Diplomat der dpa. „Es ist unklar, was dieses Urteil motiviert hat.“ Die Frage sei auch, was nach ihrer Haftentlassung passiere, sagte der Diplomat unter Hinweis auf die häufige Praxis, Bürgerrechtler oder auch Angehörige unter Hausarrest zu halten.

Menschenrechtsgruppen kritisierten, der Prozess sei von schweren Verfahrensfehlern überschattet gewesen. Amnesty International betonte, Wang Lihong sei unschuldig und habe nur ihre verfassungsgemäßen Rechte ausgeübt. Direkt nach dem Prozess hatte schon der deutsche Menschenrechtsbeauftragte Markus Löning ihre sofortige Freilassung gefordert. „Sowohl die Vorwürfe gegen Wang Lihong als auch die unangemessen lange Untersuchungshaft erweckten den Eindruck politischer Verfolgung.“ China müsse endlich die Meinungs- und Versammlungsfreiheit seiner Bürger respektieren.