„Putin hilf“ — Krise in der Ost-Ukraine eskaliert
Pro-russische Demonstranten besetzen Behörden und rufen nach Autonomie. Der Regierung in Kiew entgleitet die Lage.
Donezk. Im russischsprachigen Osten der Ukraine entgleitet der neuen pro-europäischen Zentralregierung zunehmend die Kontrolle. Seit dem Wochenende besetzen pro-russische Separatisten öffentliche Gebäude etwa in Donezk, Lugansk und Charkow. Sie reißen die ukrainischen Fahnen herunter und hissen die russische Trikolore — teils zu Klängen der russischen Nationalhymne und sowjetischer Kampflieder.
In der russischsprachigen Millionenstadt Donezk riefen die Besatzer der Gebietsverwaltung Montag sogar eine souveräne Volksrepublik aus. Sie kündigten spätestens für den 11. Mai ein Referendum über einen Anschluss an Russland an — nach dem Vorbild der Schwarzmeerhalbinsel Krim. Zudem forderten die Demonstranten Kremlchef Wladimir Putin auf, „Friedenssoldaten“ zu entsenden. Rufe nach dem Kremlchef sind zu hören: „Putin, hilf!“
In Kiew drohte Interimspräsident Alexander Turtschinow mit einem Anti-Terror-Einsatz gegen die „Separatisten“. Er warf Russland in einer emotionalen Rede vor dem Parlament vor, es wolle „die Situation im Staat destabilisieren und unser Land in Teile reißen“.
Nach dem Sturz von Präsident Viktor Janukowitsch wird in der einstigen Hochburg des nach Russland geflüchteten Politikers das Chaos immer größer. Eindringlich warnte der ukrainische Regierungschef Arseni Jazenjuk davor, von Russland finanzierten Provokateuren auf den Leim zu gehen. Er sieht die Gefahr einer russischen Invasion. Jazenjuk sieht die fast täglich größer werdende Gefahr eines Zerfalls des Landes. Vor allem die von Russland geforderte Schaffung eines föderalen Staates mit Regionen, die starke Autonomierechte bekommen sollen, sieht er als den sicheren Anfang vom Ende einer unabhängigen Ukraine. Doch anders als zuletzt auf der Schwarzmeerhalbinsel Krim, die sich Russland nach einem umstrittenen Referendum anschloss, gibt es in der Ukraine keine russischen Streitkräfte — und laut Umfragen auch keine Mehrheit für einen Beitritt zu Russland. Putin und sein Außenminister Sergej Lawrow hatten zudem mehrfach beteuert, dass die Krim für Russland ein Sonderfall und eine Invasion im Kernland des krisengeschüttelten Nachbarn nicht geplant sei.
Gleichwohl traut der Westen diesen Versprechen kaum — wohl auch, weil die Stimmung in breiten Teilen der russischen Bevölkerung so ist, nun noch die „ursprünglichen Heimatgebiete“ im Osten und Süden der Ukraine zurückzuholen.
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