Taksim-Platz mit Wasserwerfern geräumt (mit Video)
Istanbul/Köln (dpa) - Bei der ersten Großdemonstration in Istanbul seit knapp einer Woche hat die Polizei auf dem Taksim-Platz erneut Wasserwerfer gegen friedliche Demonstranten eingesetzt.
Am Samstagabend versammelten sich nach Aufrufen über soziale Medien mehrere zehntausend Menschen auf dem zentralen Platz in der türkischen Metropole, um gegen die konservativ-islamische Regierung zu protestieren. Der Verkehr kam zum Erliegen. Vor der Räumung hatte die Polizei die Demonstranten vergeblich dazu aufgerufen, die durch die Menschenmassen blockierten Straßen an dem Platz zu räumen.
Bis zum Wasserwerfereinsatz verlief die Demonstration friedlich, wie Augenzeugen berichteten. Die Menschen skandierten Parolen wie „Taksim ist überall“ und „Das ist nur der Anfang“. Als die Polizei den Platz räumte, flogen vereinzelt Flaschen. Viele Demonstranten bewarfen Polizisten und Wasserwerfer mit Blumen. Über den Kurznachrichtendienst Twitter war dazu aufgerufen worden, rote Nelken mitzubringen, die das Symbol der Arbeiterbewegung sind.
Obwohl Augenzeugen am Samstagabend zunächst nicht beobachteten, dass die Polizei auf dem Taksim-Platz Tränengasgranaten verschoss, klagten Demonstranten nach dem Wasserwerfereinsatz über Reizungen der Atemwege und der Augen. Die Polizei wird verdächtigt, dem Wasser Chemikalien beizumischen. Bestätigt ist das nicht, über soziale Netzwerke verbreitete Fotos deuten aber darauf hin. Diese Bilder scheinen zu zeigen, wie Polizisten Flüssigkeit aus Kanistern mit Warnhinweisen in Tanks von Wasserwerfern füllen.
Nach Mitternacht war das Zentrum des Taksim-Platzes von der Polizei abgeriegelt. Am Rande hielten sich weiter Gruppen von Demonstranten auf, die friedlich beisammenstanden. Die Polizisten hatten Gasmasken und Helme abgesetzt. Die Wasserwerfer, die Zugangsstraßen abgeriegelt hatten, wurden auf den Taksim-Platz
zurückgezogen. Der Platz war für den Verkehr wieder geöffnet.
Zuletzt war es in Istanbul am vergangenen Sonntag zu schweren Zusammenstößen gekommen. In der Hauptstadt Ankara und in anderen türkischen Städten hatten die Zusammenstöße aber auch in den vergangenen Tagen angedauert. Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan hat die weitestgehend friedlichen Demonstranten als „Terroristen“ und „Gesindel“ beschimpft. Er unterstellt ihnen, ihr Ziel sei, „Wirtschaft und Demokratie der Türkei zu zerstören“. Die Regierung steht wegen der Polizeigewalt international in der Kritik.
Vor einer Woche hatte die Polizei den von Demonstranten besetzten Gezi-Park am Taksim-Platz zum zweiten Mal geräumt. Seit gut drei Wochen kommt es zu landesweiten Protesten gegen Erdogans Regierung, die sich an Plänen entzündet haben, den Gezi-Park zu bebauen. An den vergangenen Abenden war es am Taksim-Platz zu stillen Protesten Hunderter Demonstranten gekommen. Zusammenstöße mit der Polizei waren aber ausgeblieben.
In Köln demonstrierten am Samstag etwa 30 000 bis 40 000 Menschen gegen Erdogan. Redner forderten dessen Rücktritt und Neuwahlen. Transparente trugen Aufschriften wie „Erdogan, der Wolf im Schafspelz“. Die Kundgebung stand unter dem Motto „Überall ist Taksim“.