Türkische Regierung setzt mehr Kontrolle über Justiz durch
Istanbul (dpa) - Die türkische Regierung hat sich nach einer von Tumulten begleiteten Parlamentsdebatte mehr Kontrolle über die Justiz verschafft.
Nach einer Nachtsitzung beschloss das Parlament am Samstagmorgen eine Änderung des Gesetzes über den Hohen Rat der Richter und Staatsanwälte (HSYK), wie die türkische Nachrichtenagentur Anadolu berichtete.
Als unabhängiges Kontrollgremium ist der Rat für die Disziplinarkontrolle sowie die Ernennung und Beförderung von Richtern und Staatsanwälten zuständig. Das neue Gesetz überträgt wesentliche Befugnisse auf den Justizminister als Vorsitzenden des Gremiums.
Um das Gesetz gab es heftigen Streit. Im Parlament kam es zu Handgreiflichkeiten. Ein Abgeordneter der oppositionellen Republikanischen Volkspartei (CHP) sei wegen einer blutenden Nase ärztlich behandelt worden, berichteten türkische Medien. Die CHP hatte bereits vor der Entscheidung angekündigt, notfalls vor das Verfassungsgericht ziehen zu wollen. Kritiker sehen in der Justizreform einen Schlag gegen die Gewaltenteilung und die Unabhängigkeit der Justiz.
Die Partei von Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan reagierte mit dem Vorstoß auf politisch unerwünschte Korruptionsermittlungen und einen Machtkampf mit Gegnern im Lager der religiös-konservativen Kräfte. Das Richtergremium hatte das Vorgehen der Regierung gegen Polizei und Justiz in diesem Zusammenhang kritisiert und danach bereits einen Maulkorb verpasst bekommen.
In dem Korruptionsskandal in der Türkei waren Mitte Dezember auch Söhne mehrerer Minister festgenommen worden. Gefolgsleute Erdogans machen die Bewegung des im US-Exil lebenden Predigers Fethullah Gülen für die Ermittlungen verantwortlich. Diese soll in der Polizei und der Justiz zahlreiche Anhänger haben.