USA geben geheime Vietnam-Berichte frei
Obama sieht den Schritt als Zeichen für die neue Offenheit. Doch Informanten sollen zur Rechenschaft gezogen werden.
Washington. Vier Jahrzehnte lang zählten sie zu den am besten gehüteten Geheimnissen in Washington, nun aber kann jeder die Pentagon Papers, die Lügen rund um den Vietnamkrieg dokumentieren, im Archiv einsehen oder sich auf den Computer herunterladen.
Obwohl US-Präsident Barack Obama in der Freigabe ein weiteres Indiz für jene „beispiellose Offenheit“ sieht, durch die seine Regierung sich auszeichne, will er dennoch Geheimnisverräter zur Rechenschaft ziehen.
Die Pentagon Papers förderten skandalöse Einzelheiten zutage. Demnach hatten alle drei Präsidenten, die in den Krieg verwickelt waren — John F. Kennedy, Lyndon B. Johnson und Richard Nixon — die Öffentlichkeit in die Irre geführt. Während es das erklärte Ziel war, den Krieg schnell zu beenden, wurde er insgeheim ausgeweitet. Unter anderem wurden Militäraktionen gegen Kambodscha und Laos in Auftrag gegeben, die gegenüber den Medien verschwiegen wurden.
Zudem hatte JFK grünes Licht für ein Attentat gegen Südvietnams Staatschef Ngo Dinh Diem gegeben, der aber dann einem Putsch zum Opfer fiel. Unangenehm sind auch interne Memos im Bericht: Demnach diente die Ausweitung des Kriegs vorrangig der Verhinderung einer demütigenden Niederlage.
Laut der Notizen machte das vorgegebene Ziel, Südvietnam zu befreien und dessen Volk „ein besseres Leben zu ermöglichen“ lediglich zehn Prozent der Kriegsmotivation aus. Politische Beobachter nennen die Pentagon Papers den „Wikileaks-Skandal der 70er Jahre“.
Zum einen, weil sie Einzelheiten jener Lügen dokumentieren, mit denen Regierungen den Krieg zu rechtfertigen versuchten. Zum anderen, weil das Weiße Haus nun dieselben Schritte gehen will wie gegen jene Informanten, die bis dahin unbekannte Details aus Afghanistan Wikileaks zuspielten.
Das aber wird schwierig sein. Denn Daniel Ellsberg wurde bereits ein Mal freigesprochen, als sich nämlich herausstellte, dass Nixon die Männer, die später ins Watergate Hotel einbrachen, in das Büro von Ellsbergs Therapeuten eindringen ließ, um Belastendes über ihn zu finden. Ellsberg, heute 81 Jahre alt, fordert die Freilassung Bradley Mannings, der 250.000 diplomatische Depeschen an Wikileaks weitergeleitet haben soll. Der 23-jährige Soldat könnte den Rest seines Lebens hinter Gittern verbringen.